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Sprachpolitik – eine Frage der Anerkennung
Andrássy Universität Budapest, Doktorschule
Sprachpolitik begegnet uns tagtäglich. Jeder von uns, ohne sich dessen immer bewusst zu sein, ist ein sprachpolitischer Akteur/eine sprachpolitische Akteurin. Aber was genau macht Sprache zum sprachpolitischen Akt?

Sprachpolitik begegnet uns tagtäglich. Jeder von uns, ohne sich dessen immer bewusst zu sein, ist ein sprachpolitischer Akteur/eine sprachpolitische Akteurin. Im Gespräch mit Vorgesetzten wählen wir unsere Worte mit Vorsicht. Wir achten darauf, im gesellschaftlichen Miteinander keine kulturellen oder religiösen Tabus zu brechen oder tun das ganz gezielt und provozieren dadurch Aufmerksamkeit. In sozialen Medien verteilen wir Likes, bewerten durch thumbs up und thumbs down und sprechen dadurch unsere Wertschätzung oder Geringschätzung aus. Aber was genau macht Sprache zum sprachpolitischen Akt? Wie sind die Wechselwirkungen zwischen staatlicher Sprachplanung und innergesellschaftliche praktizierter Sprachpolitik zu verstehen? Und was hat das alles mit Anerkennungsphilosophie im Anschluss an G.W.F. Hegel zu tun? Diesen Fragen gehe ich im Rahmen meiner interdisziplinären Dissertation nach.

Das Promotionsprojekt gliedert sich in einen theoretischen Teil, der anhand zahlreicher Beispiele aus der Gegenwart erklärt, warum eine enge Beziehung zwischen Anerkennung und Sprache besteht. In der philosophischen Grundlegung, die Nähe zum Deutschen Idealismus, der Hermeneutik und der Phänomenologie aufweist, wird eine fundierte philosophische Analysemethode vorgestellt. Diese kommt im zweiten historischen Teil zum Einsatz. In diesem werden historische Konflikte, die sich zentral um Sprache(n), Sprachzugehörigkeit und kulturelle wie nationale Identität drehen, im Raum von und um Österreich analysiert. Beispiele dafür sind u.a. der Kärntner Ortstafelstreit, bei dem über Jahrzehnte hinweg das Recht auf die öffentliche Sichtbarkeit einer Minderheitensprache erstritten wurde; die Wahrnehmung und Implementierung der österreichischen Standardvarietät des Deutschen im Unterricht und in der österreichischen Kulturpolitik im Ausland; die Vertreibung von deutschsprachigen Minderheiten aufgrund ihrer Sprachzugehörigkeit und die damit verbundenen sozialen Stigmatisierungen im Ankunftsland der Vertriebenen; und umgekehrt die erfolgreiche Erlangung von Autonomierechten einer sprachlichen Minderheit und das damit verbundene Anerkennung für jeden einzelnen unter ihnen.

Geschichtsschreibung ist immer eine Frage der Perspektive. Bei gleicher Faktenlage zeichnen die Gewinner eines Konflikts notwendig eine andere Darstellung als die Verlierer – Schwerpunkt und Prägung der Narrative variieren. Jede Geschichte kennt demnach verschiedene Erzählweisen, die näher oder weiter entfernt von den Tatsachen, nie aber ausschließlich richtig oder falsch sind. Die Dissertation mit dem Arbeitstitel „Sprachpolitik – Eine Frage der Anerkennung?“ unternimmt das philosophische Experiment einer Vogelperspektive auf Konfliktlinien. Dabei geht es nicht darum, der einen oder anderen Konfliktpartei Vorschub zu leisten und versucht sich erst gar nicht an dem im Vornherein zum Scheitern verurteilte Unterfangen, eine tatsächlich ausgeglichene oder gar gerechte Darstellung der unterschiedlichen Erzählungen zu gewährleisten. Anstatt dessen untersuche ich die durch sprachpolitische Maßnahmen offenkundig gewordenen, jeweils spezifischen Anerkennungs­konstellationen der involvierten Parteien. Das Individuum in seiner Einzigartigkeit als sprachpolitischer Sender und Empfänger rückt somit in den Mittelpunkt der Betrachtung. Der rote Faden meiner Dissertation ist die Untersuchung des Verfahrens mit Kollektivsubjekten durch Sprachpolitik.

Der Lauf der Geschichte ebenso wie das Feld des Zwischenmenschlichen ist ein ewiger Kampf um Anerkennung, wie posthegelianische Geschichts- und Anerkennungstheorien bestätigen und beforschen. In der Arbeit wird eine anerkennungsphilosophische Methode zur Geschichtsanalyse mit besonderer Berücksichtigung mitteleuropäischer Konfliktlinien vorgestellt. Damit soll die Dissertation nicht zuletzt einen Beitrag zur Geschichtsphilosophie der Gegenwart leisten.

Anneliese Rieger

Doktorandin 

Ort - Andrássy Universität Budapest
2024-3 April 2024 2024-5
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