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Reformerfordernisse und Reformerfahrungen des schweizerischen Regierungssystems in Zeiten der Globalisierung
Zentrum für Demokratieforschung
Abschiedsvorlesung des schweizerischen Botschafters in Budapest Jean-François Paroz an der Andrássy Universität Budapest (AUB).

Jean-François Paroz trat 1988 in den Schweizer Auswärtigen Dienst ein und ist seit 2012 Botschafter der Schweizerischen Eidgenossenschaft in Budapest. Ab September 2016 wird er seinen Posten als Botschafter der Schweiz in Japan antreten. An der AUB war er in dieser Zeit häufig zu Gast und hielt eine Vielzahl von Vorträgen zu der Schweiz, Ungarn und Europa. AUB-Rektor András Masát eröffnete die Veranstaltung am 18. Mai 2016 und verlieh Botschafter Paroz die Andrássy-Medaille für sein Engagement für die Universität während seiner Amtszeit in Budapest.

In seinem vorerst letzten Vortrag an der Universität zum Thema „Die Krise als Chance für die Erneuerung: Reformerfordernisse und Reformerfahrungen parlamentarischer Regierungssysteme in Zeiten der Globalisierung. ‎Das Beispiel der Schweizerischen Eidgenossenschaft“ erläuterte Botschafter Paroz anschließend zunächst die Grundprinzipien der direkten Demokratie, die in der Schweiz eine lange Tradition habe. Die Komponente der Konkordanz sei wesentlich für die Demokratie in der Schweiz, da diese die konstruktive Zusammenarbeit der Parteien erfordere, um im Ergebnis Einstimmigkeit zu erreichen. Ebenfalls würden Föderalismus und Proporz den Konsens begünstigen. Zudem werde durch die Volksinitiativen und Referenden die Partizipation aller Bürgerinnen und Bürger in der Schweiz gefördert. Referenden würden auch regelmäßig als „Fiebermesser“ bzw. Frühwarnsysteme dienen. Politische Themen, die die Gesellschaft umtreiben würden, fänden so Eingang in die politische Agenda. Insgesamt, so Paroz, sei schon in den Grundsätzen der schweizerischen Demokratie eine politische Kultur des Ausgleichs angelegt, wodurch eine friedliche Koexistenz unterschiedlicher Gruppen in der Schweiz möglich sei. Diese Komponenten der schweizerischen Demokratie seien eine „subtile Mischung“ und gerade deswegen ein Erfolgsmodell.

Laut Paroz sei die Globalisierung allerdings eine Bedrohung für den Erfolg der schweizerischen Demokratie in der Zukunft. Nationalstaat, Demokratie und Globalisierung ließen sich nicht gleichzeitig verwirklichen. Zur Erläuterung dieses Umstandes nannte der Botschafter einige Beispiele von Volksabstimmungen mit großem Krisenpotential. Zusätzlich verwies er auf den erstarkenden Populismus. Es bestehe eine zunehmende Gefahr der Konkordanz unter den Parteien. Die Parteien würden ihre Gemeinsamkeiten verlieren, die Regierungen wechselten häufiger und Volksabstimmungen würden zu Instrumenten des Populismus. Insgesamt führe die Globalisierung dazu, dass sich der Einzelne wieder auf sich selbst besinnen wolle. Dieses habe Auswirkungen auf die Themen von Volksabstimmungen und deren Ergebnisse. Beispielhaft nannte Paroz die Abstimmung gegen den Bau von Minaretten, die als eine Abstimmung aus Angst vor dem Islam zu bezeichnen sei.

Nach dem Aufzeigen der Bedrohungen und Herausforderungen für die schweizerische Demokratie, widmete sich Paroz zum Abschluss seines Vortrages möglichen Reformbestrebungen. Zunächst verwies er darauf, dass man den Wohlstand im internationalen Wettbewerb erhalten müsse. Einen großen Anteil an der wirtschaftlich guten Situation in der Schweiz, habe vor allem die direkte Demokratie. Folglich dürfe es keine Reformierung der Grundstrukturen geben. Allerdings müsse die Leitungsebene reformiert werden, denn das kollegiale Regieren sei an seine Grenzen gestoßen. Zudem müssten Medien und Politik entkoppelt und allgemeines Misstrauen in Parteien und politische Organe durch mehr Transparenz reduziert werden. Weiterhin sollten materielle Schranken für Volksabstimmungen hinsichtlich der Abstimmungen über Grund- und Menschenrechte eingeführt werden.

Abschließend stellte Botschafter Paroz fest, dass die Schweiz wohlüberlegte Reformen brauche, um weiterhin die demokratische Nachhaltigkeit zu stärken. Die Krisen würden neue Anreize für Reformen geben und aus schweizerischer Perspektive sei gerade das der Kerngedanke des schweizerischen demokratischen Systems: Krisen vermeiden. Die schweizerischen Grundstrukturen seien dafür ein bewährtes Mittel, das auch in Zeiten der Globalisierung und ständiger neuer Herausforderungen erhalten werden müsse.

Text: Julia Peters

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