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Publikation des Tagungsbandes Übersetzer als Kultur- und Literaturvermittler - Vorankündigung
Andrássy Universität Budapest
Im September 2019 fand eine gemeinsame Tagung der Christlichen Universität Partium und des Hungaricum-Ungarischen Instituts der Universität Regenburg statt, deren Beiträge nun in einem Sammelband herausgegeben werden.

Zwischen 8. und 10. September 2019 fand eine gemeinsame Tagung des Lehrstuhls für Sprach- und Literaturwissenschaften an der Christlichen Universität Partium und des Hungaricum-Ungarischen Instituts der Universität Regenburg statt, deren Beiträge nun in einem Sammelband herausgegeben werden. Die Herausgeber*innen des Bandes, Krisztina Busa (Universität Regensburg), Szabolcs János (ChUP), sowie Orsolya Tamássy-Lénárt (AUB) nehmen zusammen mit den Autor*innen ein Thema ins Visier, das den Forschungsgegenstand vieler Nachbardisziplinen, so der vergleichenden Literaturwissenschaft, der Sprachwissenschaft, der Philosophie oder Psychologie ausmacht und daher eine interdisziplinäre Herangehensweise ermöglicht und erfordert. Im Band geht es nicht nur um das Übersetzen als ein interkultureller Kommunikationsprozess, sondern vielmehr um die Person des Übersetzers/der Übersetzerin selbst, die aufgrund ihrer transkulturellen Kompetenzen ein zentraler Gestalter des Kulturtransfers ist. Es liegt nämlich an ihm/ihr bzw. an seinen/ihren Kompetenzen, wie erfolgreich er/sie durch die entsprechende Text- und Informationsübertragung und durch die Interpretation und durch die dem potenziellen Publikum angemessene Adaptation des Textinhaltes zwischen zwei oder mehreren Kulturen vermitteln kann. Er/Sie ist der/diejenige, der/die diese Kulturen sowie ihre Selbst- und Fremdbilder kennt und der/die fähig ist, die Kenntnisse ihrer Vertreter*innen über das ‚Andere’ zu beurteilen. Trotz dieser zentralen Funktion des/der Übersetzers/Übersetzerin widmeten die Fachliteraturen der oben angeführten Disziplinen bisher weniger Aufmerksamkeit der vermittelnden Person selbst, vielmehr standen Fragen der Translationstechniken und des Übersetzungsprozesses im Fokus ihres Interesses. Demnach möchte der Tagungsband eine Forschungslücke schließen. 

 

Die Autor*innen des Bandes nähern sich aus unterschiedlichen Aspekten die Position des/der Übersetzer*in an. In der ersten Gruppe der Beiträge befassen sich die Autor*innen mit den konkreten, technischen Aufgaben und Herausforderungen der Übersetzer*innen. Attila Benő stellt sich beispielweise die Frage, ob literarische Übersetzungen als Ebenbild oder als Alter Ego des Originaltextes betrachtet werden sollen und wie Übersetzer*innen mit dem Paradoxon der theoretischen Unmöglichkeit und der praktischen Ausführung der Literaturübersetzung umgehen. Géza Balázs liefert dazu eine zutreffende Ergänzung: In seinem Beitrag analysiert und vergleicht er Übersetzungen Dantes Göttlicher Komödie hinsichtlich sprachlicher Zeichen des individuellen Pessimismus der Übersetzer und kommt zum Schluss, dass in den ungarischen Textversionen das Phänomen des ‚Hungaropessimismus’ nachvollziehbar sei. Es wird oft betont, dass im Prozess der Übersetzung möglicherweise etwas aus dem ursprünglichen Textinhalt leicht verloren gehen kann. Die Verantwortung des/der Übersetzers/Übersetzerin ist daher, das Gleichgewicht zwischen den aus dem Übersetzen stammenden Verlusten und Gewinnen herzustellen. Aus Eszter Benkős Aufsatz über Lajos Dóczis Faust-Übersetzung wird klar, dass der/die Übersetzer*in den Originaltext verändern kann, um dem/der Leser*in ein vergleichbares ästhetisches Erlebnis zu bieten. Um dieses Gleichgewicht zu gewährleisten ist es aber zwingend notwendig, betont Péter Iván Horváth, dass der/die Übersetzer*in eine Vogelperspektive oder noch besser eine Satellitenperspektive aneignet, damit er/sie nicht nur den Text, sondern dessen Botschaft und den kulturellen Code übertragen kann. Auf die Notwendigkeit dieser Fähigkeit der Übersetzer*in weist auch András Kappanyos hin, der in seinem Beitrag aufgrund einiger Fallbeispiele die Zusammenhänge der Übersetzung (oder Übersetzbarkeit) und der Tropologie ins Visier nimmt. Judit Hidasi lenkt die Aufmerksamkeit auf die komplexe Position des Übersetzers/der Übersetzerin als Bindeglied zwischen komplett verschiedenen Kulturen, sogar Kontinenten und geht der Frage nach, wie er/sie die kulturell kodierten, unterschiedlichen Kommunikationsstrategien im ungarisch-japanischen Kontext handhaben kann. 

Obwohl man vermuten könnte, dass die Übersetzung eine einsame Beschäftigung wäre, zeigen Beispiele aus der Literaturgeschichte, dass Übersetzer*innen tief in Literatur- und Kulturszenen, zwischen denen sie vermittel(te)n, verwurzelt waren. Orsolya Tamássy-Lénárt stellt die übersetzerische Tätigkeit des Schriftstellers und Historikers Graf Johann Mailáth dar, der durch die Übertragung von Gedichten ungarischer Autoren einerseits einen Eingang ins ungarische Geistesleben gefunden hat und andererseits ungarische Lyrik im deutschsprachigen Ausland popularisierte und sichtbar machte. Für literarische Übersetzer ist eine Position des ‚Dazwischens’ charakteristisch und bei manchen geht es sogar um eine mehrfache Brückenposition. Eine „doppelte Bindung“ war auch bei dem Publizist Ludwig Hevesi vorhanden, der, laut dem Beitrag von Ende Hárs, durch seine historisch sowie kulturell gefärbte Zweisprachigkeit für die Aufgabe der Kulturvermittlung prädestiniert wurde, wie es seine Rezensionen u.a. über Dóczis Faust-Übersetzung auch exemplarisch darstellen. Ein weiteres Paradebeispiel liefert Péter Varga in seiner Studie über József Holder, den Übersetzer der Nyugat-Autor*innen ins Jiddische, der auch als Journalist, Schriftsteller und Lyriker im Umfeld u.a. von Ady tätig war. Ein würdiger Nachfolger der Übersetzungspraxis der Nyugat-Generation war der Sammelband Orpheus nyomában von Miklós Radnóti, in dem, wie darauf László Boka hinweist, Klassiker der europäischen Literatur von Sappho über Walter von der Vogelweide bis Cocteau übersetzt wurden und der nur einen Teil des übersetzerischen Oeuvres von Radnóti darstellt. Über einen Spezialfall literarischer Übersetzung berichtet Krisztina Busa in ihrem Beitrag über Franz Fühmann, der aufgrund Rohübertragungen, unter den „ungünstigen Bedingungen“ des sozialistischen Verlagswesens in der DDR die Übersetzung literarischer Texte von ungarischen sowie tschechischen Autoren (z.B. Ady, Radnóti, Vörösmarty) anfertigte und dadurch in den 1960/70er Jahren zu einer Wiederentdeckung und Popularisierung der ungarischen Lyrik beitrug. 

Die bisher erwähnten Beiträge, vorwiegend jener der zweiten thematischen Einheit, stellen die Vernetzung der Übersetzungspraxis und der Literatur exemplarisch dar. Es gibt aber einen weiteren Bereich der Kultur, in dem Übersetzungen eine zentrale Rolle spiel(t)en: Das Theater und die übersetzerische Tätigkeit ihrer Akteure. Einen wichtigen Beitrag zur ungarischen Theatergeschichte und zur Verbindung der ungarischen Bühnenwelt mit den europäischen Literaturen liefert Júlia Demeter. Sie analysiert die übersetzerische und schriftstellerische Intentionen des Dramatikers, Übersetzers und adaptierenden Autors József Katona aufgrund eines Theaterstückes aus 1813, dessen Grundlage eine französische Erzählung war. Aber nicht nur Bühnenautor*innen haben sich als Übersetzer*innen ausgezeichnet: Es gab eine Reihe Schauspielerinnen, die sich auch in der Übertragung und Adaptation von Theaterstücken aus einer Fremdsprache ins Ungarische auszeichneten. Wie Márta Pintér in ihrem Beitrag betonte, waren Dramenübersetzerinnen für die ungarische Literatur bereits um 1800 nicht unbekannt und mit ihren sogar gedruckten Übersetzungen fanden sie (z. B. Judit Dukai Takách, Karolina Rudnyánszky oder Zsuzsanna Wesselényi) in den literarischen Kanon Ungarns Eingang. Die Übersetzungspraxis ungarischer Schauspieler*innen blieb aber auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beibehalten, wie es Katalin Ágnes Bartha am Beispiel Lilla Szilágyi Bulyovszkyné präsentiert, deren Oeuvre zugleich die Problematik der Übersetzbarkeit der europäischen Bühnensprache darstellt.

Der Band wird beim Verlag des Siebenbürgischen Museum-Vereins und beim Partium Verlag in ungarischer Sprache unter dem Titel A fordító mint kultúra- és irodalomközvetítő voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2021 erscheinen.

Orsolya Tamássy-Lénárt

2024-2 März 2024 2024-4
 
 
 
 
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