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Political Communication in Southeast Europe – Informing or Influencing the Public
Am 17. Juni lud das internationale und interuniversitäre Netzwerk Politische Kommunikation (netPOL) unter Leitung von Christina Griessler ForscherInnen und DoktorandInnen zu einem interaktiven Workshop ein.

Ziel des Workshops war es, aktuelle Entwicklungen in Südosteuropa zu diskutieren und Einblicke in die Besonderheiten der politischen Kommunikation zu gewinnen und die aktuellen Entwicklungen in diesem Bereich zu analysieren: In welchen Formen und mit welchen Mitteln kommunizieren PolitikerInnen mit der Bevölkerung? Welche Rolle spielen die Medien bei der Vermittlung spezifischer politischer Botschaften und gelten sie als frei und unparteiisch in ihrer Berichterstattung? Auf welche Weise wird politische Kommunikation in den Ländern der Region genutzt und missbraucht? Wie tragen die Medien zur Polarisierung innerhalb der Gesellschaft oder zur Überbrückung gesellschaftlicher Unterschiede bei? Sind Medien in der Lage, die demokratischen Prozesse in den Ländern zu unterstützen, indem sie auf Fehlverhalten von Politikern hinweisen? Wie funktioniert die politische Kampagnenarbeit in der Region? Diese und viele weitere Fragen wurden von den Teilnehmenden des Workshops aufgegriffen und diskutiert.

Nach einigen Willkommensworten stellte Dr. Christina Griessler, wissenschaftliche Mitarbeiterin am AUB-Lehrstuhl für Vergleichende Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Mittel- und Osteuropa in der EU, das Netzwerk netPOL vor und bot einen Rückblick auf dessen zehnjährige Geschichte in Budapest. Es folgten drei Paneldiskussionen, in denen die eingeladenen AkademikerInnen die Ergebnisse ihrer aktuellen Forschungen präsentierten und mit dem Publikum sowie untereinander debattierten.

Siniša Atlagić von der Politikwissenschaftlichen Fakultät der Universität Belgrad (Serbien) begann mit einem Vortrag mit dem Titel „Public sphere and symbolic politics in contemporary Serbia“, in dem er zeigte, wie die politischen Eliten in Serbien seit 1990 mit Hilfe von Symbolpolitik und einem stark zentralisierten Mediensystem den öffentlichen Diskurs so manipulieren, dass kein echter Wandel stattfinden kann. Auch soziale Medien hätten nur bedingtes Mobilisierungspotenzial, zumal die öffentlichen politischen wie zivilgesellschaftlichen Institutionen sehr schwach seien, erläuterte er weiter.

Reina Zenelaj, Leiterin der Fakultät für Politikwissenschaft und internationale Beziehungen an der Epoka-Universität Tirana, stellte im Anschluss ihre Fallstudie zu Effekten von Medien auf Konfliktformationen vor, in der sie die politische Krise in Albanien im Frühjahr 2019 betrachtete. Dazu nutzte sie das Konzept des Friedensjournalismus von Alicia Prager und Michael Hameleers, das sich mit der Frage beschäftigt, wie Journalismus zur Friedensbildung beitragen kann. Zenelajs Studie zeigte, dass die Medien zwar während der gesamten Eskalation eine aktive Rolle einnahmen, jedoch kaum versuchten, zwischen den Konfliktparteien und deren Narrativen zu vermitteln. Da Medien aber gerade in Krisen eine zentrale Rolle spielen, forderte sie gezielte Fortbildungsprogramme für JournalistInnen. 

Schließlich zeigten Suzana Jurin und Daniela Kruzić von der Universität Rijeka erste Ergebnisse einer neurolinguistischen Studie zu den psychologischen Effekten politischer Schlagwörter in kroatischen Medien. Diese sprechen demnach direkt die Emotionen der RezipientInnen an und lenken den Blick auf eine bestimmte politische Agenda bzw. ihre Ziele. Außerdem kreieren sie übergreifende Themen für politische Kampagnen, um Parteimitglieder und bestimmte WählerInnengruppen anzusprechen. Es handelt sich also um kurzfristig angelegte Überzeugungsarbeit, die eher der Meinungs- als der tatsächlichen Wissensbildung dienen. Das Panel wurde moderiert von der netPOL/AUB-Doktorandin Anastasiia Hraur.

Das zweite Panel widmete sich Medien und Journalismus und brachte gleich drei netPOL-Doktorandinnen der AUB zusammen: Franziska Döhring, die online zugeschaltet war, verglich die Medienentwicklung der Postkonfliktgesellschaften im Libanon und Kosovo und zeigte, welche Auswirkungen dieses spezielle Setting und insbesondere auch der internationale Einfluss haben. Marina Plantak und Edina Paleviq betrachteten in einer Übersichtsstudie von Printmedien in allen Ländern des ehemaligen Jugoslawiens, ob und wie sich nationale und regionale Zugehörigkeiten in den jeweiligen Ressorts spiegeln. Tatsächlich fanden sie – in Anlehnung an Michael Billigs Konzept des „Banalen Nationalismus“ und Maria Todorovas „Balkanismus“ – „Banale Balkanismen“ in den meisten der Nicht-EU-Staaten der Region. Mit auf dem Panel war auch Mateo Gospić, Absolvent der Geschichtsfakultät an der Universität Zagreb und angehender Doktorand, der drei Untersuchungen von Mediendiskursen zu den Jugoslawienkriegen bewertete und dabei unter anderem zeigte, wie verschiedene Aspekte der Konflikte und ihr Framing im Medienkontext einander beeinflussen. Die netPOL/AUB-Doktorandin Frauke Seebass moderierte.

Nach der Mittagspause leitete Christina Griessler eine Diskussionsrunde zur Rolle von Medien bei der Polarisierung der Öffentlichkeit. Mit auf dem Panel waren Daniela Ingruber von der Universität für Weiterbildung Krems sowie Siniša Atlagić und Reina Zenelaj, die jeweils ihren nationalen bzw. regionalen Kontext repräsentierten. So zeigte sich für Österreich, dass die gezielte Schwächung von Institutionen durch die Regierung sowohl das Vertrauen in sie als auch die Medienbildung in der Bevölkerung verschlechtert hat, was zu einem Anstieg an Verschwörungen und deren AnhängerInnen führt. In Albanien nutzen PolitikerInnen insbesondere in Krisenzeiten logische, rhetorische und psychologische Manipulation, um die Menschen zu beeinflussen, die in unsicheren Zeiten nach Führung suchen. So können sie ihre Macht ausbauen und haben gleichzeitig kaum Konsequenzen zu befürchten. Auch in Serbien liegt der Fokus politischer Kommunikation auf Emotionen und nicht auf Fakten und Institutionen werden mit ihrer Hilfe zugunsten des Machtausbaus der Eliten geschwächt. In der Diskussion mit den anwesenden ExpertInnen und Gästen wurde deutlich, dass die Aushöhlung demokratischer Prinzipien oft mithilfe demokratischer Mittel geschieht und es damit unbedingt im Interesse pro-demokratischer Kräfte liegen muss, Institutionen und politische Bildung allgemein zu stärken.

Zum Abschluss des Workshops stellte Laura Kromják von der Eötvös-Loránd-Universität (ELTE) in Budapest Forschungen zu den Themen „Rememberence and Forgiveness“ sowie „Intergenerational Trauma in Refugee Communities“ vor. Zum ersten dieser beiden Themen hatte sie gemeinsam mit Ajlina Karamehić-Muratović 2020 eine Sammelpublikation bei Routledge veröffentlicht, in der sich 16 Beiträge in 20 Ländern auf fünf Kontinenten mit den Möglichkeiten und Grenzen von Erinnerung und Vergebung auf individueller bzw. gemeinschaftlicher Ebene befassen. Anfang 2023 werden sie gemeinsam ein weiteres Buch herausgeben, das wiederum mehr als 20 Länder auf fünf Kontinenten in den Blick nimmt und die Weitergabe von Traumata zwischen den Generationen untersucht. Damit wollen sie einen Beitrag zu einem umfassenden Verständnis der Rechte und des Schutzes von Geflüchteten leisten sowie vereinfachten bzw. vernachlässigten Narrativen entgegenwirken. Stattdessen fordern sie eine lokal und kulturell sensible Betrachtung im jeweiligen Kontext.

Der Workshop wurde unterstützt durch eine Finanzierung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und der Exzellenzförderung der Andrássy Universität.

Frauke SEEBASS

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