Interesse an einem Studium?

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Nicht „Goethe oder Kommunikation” ist die Frage!
Andrássy Universität Budapest
Am 27. Oktober 2017 fand eine von der AUB und dem Ungarischen Institut der Universität Regensburg gemeinsam organisierte Tagung zum Thema „(Aus)Bildung in deutscher Sprache in Ungarn und Kooperationsmöglichkeiten mit Bayern” statt.

Vier kurze Stellungnahmen bildeten die Grundlage für eine lebendige Diskussion. Zunächst konstatierte der Altrektor der Andrássy Universität, Prof. Dr. András Masát, ein wiedererwachtes und wachsendes Interesse an der deutschen Sprache. Vor allem das Interesse an „Wirtschaftsdeutsch“ spiele eine bedeutende Rolle. Durch den veränderten Arbeitsmarkt entstehe hier eine Kluft zu der klassischen Ausbildung in der Germanistik, die jedoch – vor allem in den BA-Studiengängen – versucht, auf die aktuellen Herausforderungen des Arbeitsmarktes zu reagieren und adäquate Antworten zu geben. Für die Karriereplanung scheine für viele ein reiner Germanistikabschluss nicht mehr ausreichend attraktiv zu sein. Das Studium sollte durch Kooperationen mit anderen Studiengängen oder mit Institutionen außerhalb der Universitäten geöffnet und dadurch attraktiver gemacht werden.

Michael Müller-Verweyen, Direktor des Goethe-Instituts in Budapest, formulierte im Anschluss fünf Thesen hinsichtlich der Zukunft der deutschen Sprache und nahm dabei ebenfalls den Bedarf an Deutsch im nicht-philologischen Bereich in den Blick. Er sprach unter anderem darüber, dass die Existenz von sprachlichen Minderheiten, aber auch bereits der einfache Fremdsprachenunterricht zeigen, dass Sprachen sich nicht an Grenzen halten – dies sollte von politisch Verantwortlichen durchaus mehr beachtet werden. Desweiteren werde der Brexit mit einer Neujustierung der (nicht-englischen) europäischen Sprachen einhergehen. So wären nach dem Austritt Groß-Britanniens aus der Europäischen Union Malta und Irland die einzigen Mitgliedsstaaten der EU, die Englisch noch als Amtssprache hätten.

Die Tatsache, dass wortwörtliche Übersetzungen zu Frust und Missverständnissen führen, wählte Dr. habil. Zsolt K. Lengyel, Direktor des Ungarischen Instituts der Universität Regensburg, zum Ausgangspunkt seiner Ausführungen. Es sei demnach zwingend notwendig, in der (sprachlichen) Ausbildung auch Nuancen, die in offiziellen Kommunikationsprozessen mit fremdsprachigen Partnern von Bedeutung sind, zu vermitteln. Die Vermittlung dieser besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten könnten im Zentrum einer von der Andrássy Universität Budapest und dem Ungarischen Institut gemeinsam getragenen fachbezogenen Weiterbildung über zwei Semester stehen. Dr. Lengyel skizzierte kurz einen entsprechenden Vorschlag mit der Bitte, auf diesen nach internen Diskussionen in den angesprochenen Institutionen bei einem späteren Treffen zurückzukommen.

Dr. Ákos Bitter, Mitarbeiter am Forschungszentrum Deutsch in Mittel-, Ost- und Südosteuropa (DIMOS) Regensburg, betonte die Brückenfunktion von Sprachen und im Besonderen die Brückenfunktion der deutschen Sprache im östlichen Teil Europas. Bitter verwies auf die geschichtliche Bedeutung der deutschen Sprache in der ostmittel- und südosteuropäischen Region sowie auf die sich letztendlich positiv entwickelnde Akzeptanz der deutschen Sprache nach 1990. Er betonte die sich daraus ergebende Verantwortung der Deutschsprachigen in der Region, diese Brückenfunktion der deutschen Sprache beizubehalten und auszubauen.

Die sich den Stellungnahmen anschließende lebhafte und kontroverse Diskussion wurde vom Rektor der Andrássy Universität, Prof. Dr. Dietmar Meyer moderiert. Im Mittelpunkt stand unter anderem die Frage, ob die deutsche Sprache in der Lehre als bloßes Kommunikationsmittel betrachtet werden sollte oder vielmehr als komplexer sprachlicher Gegenstand, über den inhaltliche Feinheiten transportiert werden. Die Wortmeldungen aus dem Publikum ließen die nahezu einhellige Meinung erkennen, dass eine moderne Sprachvermittlung sich nicht an Übersetzungen auf Google-Translator-Niveau orientieren, sondern vielmehr eine – sprachlich und sozial fundierte – Interpretation von Standpunkten, Meinungen und Ereignissen anvisieren solle. Neben sprachlichen Kenntnissen müssten also gleichzeitig auch kulturelle, soziale und politische Aspekte, die mit der entsprechenden Fremdsprache verbunden sind, vermittelt werden. Da Sprache Träger verschiedener Funktionen und Aufgaben ist, müsse sie demzufolge so vermittelt werden, dass möglichst vieler dieser Feinheiten zum Ausdruck kommen. Die Sprache als bloßes Informationsinstrument zu betrachten sei hierfür unzureichend, man benötige mehr „Goethe”, sprachliche Strukturen also, die über die eher mechanische Beschreibung hinausgehen. Die Frage sei nicht, ob jemand das, was er kommunizieren möchte, kommunizieren kann, sondern ob er/sie es so kommunizieren kann, dass es bei der Zielperson auch so ankommt, wie es eigentlich geplant war.

Die dazu notwendigen Diskussionen werden weitergeführt, ein Treffen der beiden Verantwortlichen in Regensburg sowie eine Zusammenkunft in größerem Rahmen Anfang des kommenden Kalenderjahres in Budapest sind bereits geplant.

Text: András Masát, Dietmar Meyer, Zsolt K. Lengyel, Michael Müller-Verweyen, Ákos Bitter, Ralf Thomas Göllner

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