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Minderheiten als Brückenbauer
Das Potenzial von Minderheiten bei der Verbesserung von Beziehungen zwischen Ländern wird oft übersehen, obwohl diese optimale Brückenbauer sein können. Im Rahmen der Konferenz lag deshalb der Fokus auf der Bedeutung der autochthonen Minderheiten.

Vom 23. bis 25. September 2022, führte der Lehrstuhl für Diplomatie II in Kooperation mit der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) Budapest eine Konferenz zur Minderheitenpolitik Deutschlands und Ungarns sowie zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der ungarischen Grenzstadt Gyula durch, an der 18 Studierende der AUB sowie 6 Schüler der deutschen Schule Budapest mit ihrem Lehrer Uwe Bach teilnahmen. Gemeinsames Ziel war es, die Lage der deutschen sowie ungarischen Minderheiten in Ungarn sowie in den Nachbarstaaten aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, um so den Erfahrungsaustausch zu fördern. Da ein Drittel aller EU-Bürger und Bürgerinnen in Grenzregionen leben und sich weiterhin 10 Prozent einer ethnisch-sprachlichen Minderheit zuordnen, ist das Thema der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit vor allem in Ost- und Mitteleuropa von hoher Relevanz. 

Dr. Heinrich Kreft, Inhaber des Lehrstuhls für Diplomatie II an der AUB eröffnete Freitag Mittag gemeinsam mit Michael Winzer, Leiter des Auslandsbüros der KAS in Ungarn, die Konferenz. Im Anschluss lieferte der Bürgermeister der Stadt Gyulas, Dr. Ernő Görgényi einen Überblick über die Geschichte sowie das Zusammenleben der verschiedenen Minderheiten vor Ort. Frau Ibolya Hock-Englender, Vorsitzende der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen, berichtete von der anstehenden Volkszählung im Oktober 2022 und den Schwierigkeiten, sich zur Ungarn-deutschen Identität zu bekennen. 


Aus einer wissenschaftlichen Perspektive heraus erörterte Prof. Dr. Ralf Thomas Göllner, stellvertretender Leiter des Ungarischen Instituts an der Universität Regensburg, die Bedeutung der Minderheitenpolitik Ungarns im In- und Ausland. Hierbei ist insbesondere der Transformationsprozess in der Region ab 1989/1990 hervorzuheben, welcher neue Impulse in der Minderheitenpolitik brachte und beispielsweise dazu geführt hat, dass es in Ungarn heute 13 anerkannte Minderheiten gibt. Weitere Hintergrundinformationen zur Minderheitenpolitik in der Region und Europa lieferten Prof. Dr. Elisabeth Sándor-Szalay, Ombudsfrau für nationale Minderheiten und Loránt Vincze, Mitglied des Europäischen Parlaments und Leiter der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen. Sándor-Szalay betonte, dass Minderheitenrechte nicht exklusiv verstanden werden dürfen und Vincze hob zusätzlich die Brückenfunktion der Minderheiten hervor. 

Im abschließenden Panel des ersten Tages zur Lage und Bedeutung der deutschen Minderheiten in Mittel- und Osteuropa diskutierten unter Moderation von Herrn Kreft, Olívia Schubert, Vizevorsitzende der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen, Benjamin Józsa, Geschäftsführer des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien und Erika König vom Karpatendeutscher Landesrat der Slowakei. Schubert sprach von der Bedeutung der Professionalisierung der deutschen Minderheit in Bezug auf beispielsweise „Branding“ und Social-Media-Auftritte. König betonte die Vielfältigkeit der slowakischen Bevölkerungsstruktur - so gehören 20 % der Gesellschaft einer der 13 anerkannten Minderheiten an - sowie die hohe, wenn auch abnehmende Bedeutung der deutschen Sprache im slowakischen Schulsystem, obwohl die deutsche Minderheit (ca. 5000 Personen) sehr klein ist. Die deutsche Minderheit in Rumänien genießt durch die Zuschreibung deutscher Tugenden (Fleiß, Ehrlichkeit, Bodenständigkeit, wirtschaftliches Geschick) hoher Beliebtheit, sieht sich aber laut Józsa mit dem Verlust immaterieller Kulturgüter (z. B. Dialekt und Kunsthandwerk) konfrontiert.

Beim abschließenden informellen Abendessen wurden die Themen des Tages noch einmal aufgearbeitet sowie ebenfalls die Thematik der doppelten Identitäten von Angehörigen autochthoner Minderheiten diskutiert. Bei der Fernsehübertragung des Fußballspiels Ungarn gegen Deutschland am Abend konnten sich jedoch alle Teilnehmenden schnell für eine Nationalmannschaft entscheiden. 

Der nächste Tag startete mit Gruppenpräsentationen zur aktuellen Lage der ungarischen Minderheit in Serbien, Slowenien, Österreich, der Slowakei, der Ukraine, Kroatien und Rumänien. Die Vorträge wurden von den Studierenden der AUB zusammen mit Schülern der deutschen Schule Budapest erarbeitet. Bei der Abschlussdiskussion unter Moderation von Kreft waren sich die Referierenden Göllner, König, Hock-Englender und Sándor-Szalay einig, dass Minderheitenarbeit zugleich Friedensarbeit ist. Auch Winzer betonte in seiner Abschlussrede die Bedeutung der Minderheiten als Brückenbauer in der Region Ost- und Mitteleuropa und sprach sich für die Fortführung des interkulturellen Dialogs aus. 

Um die Region auch praxisnah zu erkunden, folgte nach dem Mittagessen eine 1,5-stündige Fahrt nach Arad (Rumänien), in dessen Zuge sich die Teilnehmenden nach einer Stadtführung bei einem informellen Abendessen mit politischen und bürgergesellschaftlichen Persönlichkeiten der deutschen Minderheit vor Ort austauschten. Als Abschluss der Konferenz hatten die Teilnehmenden schließlich am Sonntagmorgen ebenfalls die Möglichkeit, den Austragungsort Gyula bei einer Stadtführung näher kennenzulernen, bevor die gemeinsame Rückfahrt nach Budapest angetreten wurde.

Festhalten lässt sich die Bedeutung autochthoner Minderheiten vor allem als Brückenbauer und Garanten für den Erhalt von Traditionen und Kultur. Einige dieser Minoritäten sehen sich jedoch vermehrt mit Schwierigkeiten konfrontiert wie beispielsweise durch fehlende Unterstützung aus ihrem Herkunfts- oder Heimatstaat, Herausforderungen bei politischer Repräsentanz und rückläufigen “Mitgliederzahlen”. Ziel muss es sein, Minderheiten zu stärken, die Vernetzung weiter voranzutreiben und für Identitätserhaltung und politische Repräsentation einzustehen. Nur so kann die traditionelle kulturelle Vielfältigkeit Europas weiterhin als ein Wesensmerkmal unserer Wertegemeinschaft erhalten bleiben.

Tanissa CONRADI, Patrick HAASLER

 

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