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Luxemburg und die Shoah – Aufarbeitung mit Verspätung
Henri Juda, Holocaust Zeitzeuge der 2. Generation, beleuchtete seine eigene Familiengeschichte und mahnte an, den „Opferkult“ Luxemburgs zu hinterfragen und die Geschichte der JüdInnen im eigenen Land aufzuarbeiten.

Nach Begrüßung der Anwesenden zu denen auch die deutsche Botschafterin Julia Gross gehörte, hob Prof. Pállinger, Rektor der Andrássy Universität in seiner Eröffnungsrede die Bedeutung einer lebendigen Erinnerungskultur hervor und erinnerte daran, dass sich auch damals neutrale Länder durch unterlassene Hilfeleistung schuldig gemacht haben. Der israelische Botschafter in Ungarn Yacov Hadas-Handelsmann sprach anschließend über seine eigene Familiengeschichte und wie sehr das Leben in Tel Aviv in den 60er Jahren von den Juden und Jüdinnen aus Europa beeinflusst wurde. Er selbst sei mit vielen Kindern aufgewachsen die keine Verwandten hatten, so sei er der einzige in seiner Grundschulklasse gewesen mit einer noch lebenden Großmutter. Nicht nur die Schuldgefühle der Überlebenden - „Warum habe ich überlebt?“ - hätten die israelische Gesellschaft geprägt, sondern auch der Zorn auf Deutschland, dem Land der Täter.  

Henri Juda, Holocaust-Zeitzeuge der 2. Generation, sowie Gründer der Luxemburger NGO MemoShoah, arbeitet seit Jahren daran die Schicksale der Luxemburger Juden und Jüdinnen bekannt zu machen. In seinem  eindrucksvollen Vortrag, dem eine von Prof. Kreft moderierte Diskussion folgte,  verknüpfte Henri Juda  die Geschichte Luxemburgs mit seiner Familiengeschichte während der Shoah. Er betonte, dass das Großherzogtum erst mit großer Verspätung mit der Aufarbeitung des Holocaust begonnen habe und die eigene Mitschuld immer noch nicht hinreichend aufgearbeitet habe.

Zwischen 1935 und 1940 war Luxemburg Fluchtziel vieler deutscher Juden, so dass deren Zahl von 1.500 auf 4.000 angestiegen ist, was etwa 1,4% der Bevölkerung entsprach. Obwohl dies ein sehr geringer Anteil war, wurde dies in Luxemburg als „Gefahr der Überfremdung“ angesehen -  blickt man heute nach Luxemburg sind hingegen fast die Hälfte der BewohnerInnen AusländerInnen. In Luxemburg verschärfte sich Ausgrenzung sowie der Antisemitismus und es wurde wie in Deutschland jüdisches Vermögen beschlagnahmt. Es herrschte zum einen eine große Passivität aber auch Kollaboration mit Nazi-Deutschland, so traten 1.500 Luxemburger freiwillig in die Waffen-SS ein.

Insgesamt lassen sich zwischen 1250 und 1500 Shoah Opfer aus Luxemburg nachweisen, wobei 1400 deportiert wurden und nur 45 Personen die Konzentrationslager überlebten. Eine dieser Überlebenden ist Judas Mutter, Joanne Salomon, die am 19.April 1943 in Auschwitz ankam. Im Konzentrationslager wurde sie zur „wissenschaftliche Forschung“ an lebenden Frauen eingeteilt, wobei sie durch eine ebenfalls inhaftierte französische Ärztin  vor einer Zwangssterilisierung gerettet wurde.  Joanne Salomon bringt in Auschwitz einen Sohn zur Welt, der jedoch nach einer Woche vor ihren Augen ermordet wird. In seinem Gedenken hat Henri Juda die MemoShoah gegründet. Der Stern im Logo der NGO ist dabei seinem Halbbruder gewidmet.

Nach der Befreiung durch die Rote Armee zog Joanne Salomon nach Echternach und heiratete Charles Juda, der den Krieg versteckt bei einer Bauernfamilie in Luxemburg  überlebte. Zeitlebens  blieb für seine Mutter das Trauma Auschwitz so schmerzlich präsent, dass sie nicht imstande war darüber zu sprechen. In Luxemburg kam  die Aufarbeitung der eigenen Verstrickung in den Holocaust erst seit Beginn der 2000er Jahre langsam in Gang, ist aber bis heute  immer noch unvollständig.

Für die Zukunft wünscht sich Juda mehr zivilgesellschaftliche Bildung, mit interdisziplinärer Gedenkarbeit wie dies im entstehenden Gedenk- und Bildungszentrum Kloster Fünfbrunnen im Norden Luxemburgs angestrebt wird. Nicht Verdrängung, sondern aktive Erinnerungsarbeit hilft dabei, dass sich Täter wie Opfer von der Traumata der Shoah befreien, um gemeinsam gegen Diskriminierung und Intoleranz vorzugehen.

Tanissa CONRADI

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