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Kulturpolitik ist Friedenspolitik
Dr. Eva-Maria Seng erläuterte in Ihrem Vortrag, warum die europäische Kulturpolitik nicht nur das Potenzial hat, Historisches zu erhalten, sondern auch transformative Prozesse für eine Stärkung von europäischer Identität und Friedenssicherung anzustoßen.

Am 11. Oktober 2022 lud das Mitteleuropa-Zentrum der Andrássy Universität zur Veranstaltung „Die Kulturpolitiken der Europäischen Union und des Europarates“ ein. Zu Gast war Universitätsprofessorin Univ.-Prof. Dr. Prof. h.c. mult. Eva-Maria Seng, welche neben ihrer akademischen Tätigkeit als Leiterin des Lehrstuhls für Materielles und Immaterielles Kulturerbe an der Universität Paderborn auch Mitglied in mehreren nationalen und internationalen Fachgremien ist. In Ihrem Vortrag gab Seng zu Beginn einen kurzen historischen Rückblick über die unterschiedlichen UNESCO Label und behandelte auch den bis in die 1990er-Jahre präsenten Vorwurf des Eurozentrismus in der Welterbeliste, da beispielsweise Stätten des Christentums überproportional repräsentiert waren. Daraufhin erfolgten konzeptionelle Reformen, um die Welterbeliste ausgeglichener zu gestalten. Weiterhin sei spannend zu beobachten, dass die Liste der immateriellen Kulturgüter, welche zum Beispiel Bräuche und Tänze umfasst, mittlerweile schneller als die Liste materieller Güter wächst. 

In einem zweiten Schritt ging Seng auf die wichtigsten Kulturlabel in Europa ein, um schließlich die Kulturpolitiken der verschiedenen europäischen Institutionen sowie der UNESCO zu porträtieren. Im Rahmen der europäischen Kulturpolitik seien dabei insbesondere die Kulturrouten des Europarates als wichtiges Projekt zur Vereinigung Europas hervorzuheben, bei denen das Kulturerbe verschiedener Länder und Kulturen miteinander verbunden und so auch für die europäische Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Das Label der Kulturhauptstädte Europas wurde hingegen von der Europäischen Kommission geschaffen und nimmt insbesondere seit der Wahl Glasgows 1990 die kulturgeprägte Stadttransformation in den Fokus. Die Label der EU und des Europarates dienen jedoch nicht nur dem Selbstzweck, sondern haben auch einen instrumentellen Charakter. Es gehe darum, die europäische Identität zu fördern und gleichzeitig Synergieeffekte mit beispielsweise dem European Green Deal zu erreichen. Die prestigeträchtigen Label schafften weiterhin Anreize und fördern zusätzlich auch den Tourismus in den jeweiligen Regionen, so Seng.

Als Ziel von Kulturlabeln gelte die Friedenssicherung durch Verständigung, denn mit erfolgreicher Kulturpolitik könne zu Völkerverständigung nicht nur in Europa, sondern auch weltweit beigetragen werden. Eine globale Identität sei im Rahmen der Kulturpolitik schwer zu erreichen, dennoch biete sie die große Chance, Traditionen sichtbar zu machen, bemerkte Seng. Hervorzuheben sei weiterhin, dass Kulturerbe auch immer ein Paradox ist, welches zum einen historische Reflexion bietet und zum anderen jedoch auch als Transformationstreiber dienen kann. 

In der abschließenden Diskussion ging es um das Risiko der verstärkten Politisierung der UNESCO durch beispielsweise China sowie die Gefahr der Nationalisierung anstatt der Transnationalisierung durch Kulturpolitik. Auch wenn die europäischen Kultursiegel noch Schwächen haben, waren sich die Gäste einig, dass Kulturpolitik verstärkt gefördert werden sollte.

Tanissa CONRADI

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