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Kompromisse in der mitteleuropäischen Politikkultur
Fakultät für Mitteleuropäische Studien
Internationale Konferenz

Anlässlich des Friedenspaktes vom ‚Szatmár‘, mit dem der Rákóczi-Freiheitskampf vor 300 Jahre abgeschlossen wurde, veranstaltete das Habsburg Institut und die Fakultät für Mitteleuropäische Studien an der Andrássy Universität Budapest (AUB) mit der Unterstützung des Österreichischen Kulturforums und der Polnischen Botschaft am 25. September 2012 eine internationale Konferenz über die „Kompromisse in der mitteleuropäischen Politikkultur“.

Aufgrund dieser historischen Ereignisse prüfte die Veranstaltung die politischen Kompromisse, bzw. deren gesellschaftliche und politische Beurteilung in den vergangenen 300 Jahren bis heute.

Bei der historischen Prüfung der politischen Kompromisse wurde neben Österreich und Ungarn auch Polen einbezogen.

Die Konferenz wollte die Frage klären, ob die gemeinsame Geschichte und die vielen Berührungspunkte von Ungarn und Österreich ähnliche politische Kultur geschaffen hat, oder eher die Unterschiede wurden bedeutender. Im Fall von Polen – in der Geschichte ebenso Teil eines großen Reiches – spielten bei der Politikgestaltung die Kompromisse, bzw. die Ablehnung von Kompromissen eine wichtige Rolle. Vor diesem Hintergrund stand im Mittelpunkt der Konferenz die gesellschaftliche Beurteilung der Kompromisse, die vom Land zu Land sehr unterschiedlich ist.

Politik ohne Kompromisse gibt es nicht. Kompromissunfähigkeit oder die Ablehnung von Kompromissen führt im Allgemeinen zum Anstoß, bzw. zur Niederlage der einen oder anderen Parteien. Dadurch entstehen irreparable Beleidigungen, wobei durch beleidigte Mentalität die Möglichkeit zum Schaffen eines neuen Kompromisses erschwert wird. In diesen Fällen kann oft Misserfolg-orientierte politische Kultur zustande kommen.

Nach der Eröffnung von Rektor András Masát haben Botschafter Dr. Michael Zimmermann (Österreich) und Roman Kowalski (Polen) die Zuhörer begrüßt. Alle waren damit einverstanden, dass der mitteleuropäischen Raum am stärks­ten gezeigt hat, wie wichtig politische Kompromisse sind. Im ersten Block sprachen die Referenten über die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg. Péter Tölgyessy, Verfassungsrechtler und Imre Kónya ehem. Innenminister (1993-94) berichteten über die Gestaltung der oppositionellen Rundtischgespräche Ungarns und über die friedliche Umwandlung von Kommunismus zu Demokratie. Tölgyessy betonte die zunehmende Unzufriedenheit Ungarns, die zum Teil auf die Enttäuschung angesichts unerfüllter Erwartungen zurückzuführen ist. Seiner Meinung nach herrscht in Ungarn gegenwärtig politisch sehr aufgeheizte Stimmung, wegen der Regierungsmaßnahmen in der Wirtschaftspolitik oder z.B. der Beschränkung des Wahlrechtes durch die Einführung der Registrierung, bzw. Änderung des Wahlgesetzes. Durch diese Maßnahmen versucht sich FIDESZ sich nicht abwählbar zu machen. Kónya war der Meinung, dass die Kompromisse der Jahren 1989/90 - über das Entstehen der oppositionellen Rundtischgespräche; die Vereinbarung bezüglich der Verfassung und Präsidentenwahl, sowie den sog. MDF-SZDSZ Pakt - die Grundlage der ungarischen Demokratie geschafft hat. Er fügte hinzu, dass durch die neue Verfassung Ungarns die ursprünglichen Rahmen des Rechtsstaates im Grunde nicht veränderten.

János Rainer M. und Sándor M.Kiss., beide Historiker, haben die Kompromisse der Kádár-Ära erläutert. Rainer M. betonte, dass es in der Kádár Ära eigentlich keine Kompromisse gab, weil es damals einfach an Verhandlungen, an Gesprächspartner, an Spielregel und an rechtlichen und institutionellen Garantien fehlte. M. Kiss hat über die Gewaltorganisationen und deren kompromisslosen, allen gesetzlichen Vorschriften entgegen gesprochen Maßnahmen von 1956 gesprochen. Wie er sich ausdrückte „ Kádár hat mit rechtlosen und teilweise gesetzlichen Mitteln das Land des Schweigens zustande gebracht“.
Karl Vocelka, Professor an der Universität Wien hielt seinen Vortrag über den Einfluss der Kompromissfähigkeit auf die Entwicklung der Ersten und der Zweiten republik in Österreich. Karin Moser, Historikerin hat mit originalen Filmberichte ihren Vortrag ergänzt und ging der Frage nach in wieweit die politik der Kreisky-Ära auf Kompromisse stützte und welchen Ergebnisse dadurch erreicht hat.
Die polnische Paulina Codogni und Maciej Kozminski, der 1990-96 polnischer Botschafter in Budapest war, zeigten die Wichtigkeit der Kompromissfähigkeit auch bei der Wende in Polen auf. Sie betonten, dass beide Länder durch ihre Eliten Motoren des friedlichen Wandels waren, fanden aber unterschiedliche Antworten auf die postkommunistischen Krisenerscheinungen in ihrem Heimatländern.
Große Berücksichtigung fanden Kompromisse in der geschichtlichen Rahmen der ungarisch-österreichischen Beziehungen. Der Historiker Géza Pálffy sprach über das lange 17. Jahrhundert, das viele Kompromisse aufweisen kann und Gábor Erdődy, Geschichtsprofessor, befasste sich in seinem Beitrag mit der politischen Kultur im Verlauf der Revolution 1848. András Gerő, Direktor des Habsburg Institutes beleuchtete die Bedeutung des politischen Kompromisses für den Ausgleich 1867, der schließlich zur Doppelmonarchie führte.

Die Organisatoren wollten der Frage nachgehen, welche historische-politische Gründe im gegebenen Fall zum Kompromiss oder zur Kompromissunfähigkeit führten, bzw. welches Verhältnis sich in der jeweiligen politischen Gesellschaft zu einem abgeschlossenen oder geradezu nicht abgeschlossenen Kompromiss entwickelte, bzw. in welcher Form der Kompromiss oder die Kompromissunfähigkeit selbst in der kulturellen Erinnerung befestigte.
Vor diesem Hintergrund hofften die Teilnehmer mit der Konferenz zu unserer gemeinsamen mitteleuropäischen Vergangenheitsbewältigung beitragen zu können.

Text: Zsuzsanna Tormássy

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