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Grenzüberschreitende Lehre zwischen dem Freistaat Bayern und Ungarn
Lehrstuhl für Finanzwissenschaft
Fachseminar Finanzpolitik in Europa in Verbindung mit der Bayern-Exkursion des Studiengangs International Economy and Business

Den europäischen Gedanken nicht nur lehren, sondern auch leben. Diesem Leitgedanken folgend fand im Sommersemester 2017 das Seminar „Europäische Finanzwissenschaft: Finanzpolitik in Europa“ an der Andrássy Universität Budapest (AUB) in Kooperation mit Herrn Prof. Dr. Matthias Wrede, Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insb. Sozialpolitik der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) statt. Das auf Seiten der AUB von Frau Prof. Dr. Martina Eckardt, Lehrstuhl für Finanzwissenschaft, geleitete Seminar stand unter dem Motto „Armut und Ungleichheit in Deutschland und Europa“. Die Studierenden und Lehrenden beider Universitäten fragten sich im Rahmen des Seminars: „Was ist Armut?”, „Wer ist arm?” und „Was kann man dagegen unternehmen?”

Darüber hinaus bekamen die Studierenden beider Universitäten durch das Seminar die Möglichkeit zum interkulturellen Gedankenaustausch, um neben dem fachlichen Blick auch den Blick für gemeinsame europäische Herausforderungen zu schärfen sowie ein generelles Gespür für die Situation und die Herausforderungen eines europäischen Nachbarlandes zu entwickeln bzw. dieses zu verbessern.

Den Auftakt zur Lehrveranstaltung machte Herr Prof. Dr. Matthias Wrede, der am 3. Mai 2017 den Eröffnungsvortrag „Armut in Deutschland und demografischer Wandel“ hielt. In seinem Vortrag an der Andrássy Universität stellte Wrede die engen Zusammenhänge und Implikationen heraus, die sich aus dem demografischen Wandel für das deutsche Rentensystem ergeben. Spezifisch ging er auf die mögliche Gefahr von steigender Altersarmut ein und stellte anhand der aktuellen Forschungsdiskussion verschiedene volkswirtschaftliche Antworten bzw. Reformvorschläge vor, die auf diese Problemlage zielen.

Im weiteren Verlauf des Seminars präsentierten die Studierenden beider Universitäten zunächst am 4. Mai an der AUB in Budapest und dann am 18. Mai an der FAU in Nürnberg ihre Thesen und Forschungsergebnisse den Dozenten und Kommilitonen, um diese anschließend gemeinsam zu diskutieren. Dazu waren die Vorträge in Themenblöcken organisiert, an denen jeweils Studierende der AUB und der FAU komplementär zusammenarbeiteten, so dass die ungarische und deutsche Situation gleichermaßen beleuchtet wurde. Im Fokus standen u. a. Themen wie „Armutskonzepte und Messung von Armut“ oder „Armutsbekämpfung und regionale Unterschiede“.

Für die Studierenden des Studienganges International Economy and Business an der AUB wurde das Seminar darüber hinaus mit Einblicken in die Praxis der Armutsbekämpfung sowie der Reduzierung von Ungleichheiten verknüpft. Dazu wurde von Prof. Dr. Martina Eckardt, Prof. Dr. Stefan Okruch und Jutta Šehic, MA in enger Zusammenarbeit mit dem Partnerland Freistaat Bayern für die Studierenden eine Exkursion nach München und Nürnberg organisiert.

Zu Beginn der Exkursion wurden die Studierenden am 17. Mai von Herrn Christian Schildbach, stellv. Referatsleiter für Raumordnung und Landesentwicklung, und Herrn Klaus Ulrich, Leiter des Referats Internationale Beziehungen, in der Bayerischen Staatskanzlei in München empfangen.

Herr Schildbach betonte in seinem Vortrag das Ziel des Freistaates Bayern, überall im Freistaat, speziell auch im ländlichen Raum, gleichwertige Arbeitsbedingungen und Lebensverhältnisse zu schaffen. Die Bewältigung von Ungleichheiten habe dabei höchste Priorität. Relevante Handlungsbereiche seien vor allem die Industrie, die Infrastruktur und der Tourismus. Dabei habe man u. a. mit Herausforderungen des demografischen Wandels, der Globalisierung, des Klimawandels sowie des gestiegenen Wettbewerbsdrucks für Mittelständler zu kämpfen. Insbesondere die räumliche Dimension dieser Herausforderungen wurde von Herrn Schildbach dabei unterstrichen. Darüber hinaus hob er den hohen Stellenwert dieser Ziele hervor, indem er auf die Verfassung des Freistaates Bayern verwies, in der die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse seit dem 1. Januar 2014 konstitutionell verankert ist.

Herr Ulrich knüpfte daran an und verdeutlichte die für ihn notwendige Bekämpfung von Armutsursachen am Beispiel der aktuell stark gestiegenen Migrationsbewegungen. Dabei erläuterte er den Studierenden das vielfältige nationale sowie internationale Engagement des Freistaates Bayern in diesem Bereich. Neben der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Bayern wäre es eben auch zwingend erforderlich vor Ort - z. B. in Afrika - frühzeitig tätig zu werden, wenn man Fluchtursachen, wozu insbesondere auch Armut zähle, effektiv bekämpfen will. Dieses Engagement des Freistaates sei in eine abgestimmte Integration-, Sicherungs- und Eindämmungsstrategie von Migrationsströmungen eingebettet, so Herr Ulrich. Dabei konzentriere sich die Entwicklungspolitik des Freistaates auf die Fluchtursachenbekämpfung. Dazu stellt der Freistaat Bayern aktuell 20 Millionen Euro zur Verfügung, die, wie Herr Ulrich betonte, in enger Kooperation mit regionalen Partnern investiert würden. Dies käme nicht zuletzt sowohl den Bürgern und Bürgerinnen Bayerns als auch den hilfsbedürftigen Menschen, die ansonsten in die Flucht getrieben würden, zugute. Dies gelänge dadurch, dass zum einen Belastungen für den Freistaat Bayern, die u. a. im Bereich der Sicherheit und Integration entstünden, effektiv vermieden bzw. reduziert werden könnten und dass zum anderen hilfsbedürftigen Menschen nicht erst nach einer lebensgefährlichen Flucht, sondern bereits in Ihrer Heimat unterstützend unter die Arme gegriffen würde.

Ergänzend dazu erläuterte Herr Ulrich den Studierenden das System und die Funktionsweise der wirtschaftlichen Vernetzung Bayerns. Dieses internationale Netzwerk soll dazu dienen, die Wettbewerbsfähigkeit Bayerns zu erhöhen und Arbeitsplätze zu sichern, denn, so Ulrich, ein solides wirtschaftliches Fundament sei nicht zuletzt der effektivste Garant zur Bekämpfung von Armut.

Durch die anschließende Einladung ins Maximilianeum wurde die Sichtweise der Exekutive auf die Herausforderungen der Armuts- und Ungleichheitsbekämpfung um die Sichtweise der Legislative ergänzt. Dort wurden die Studierenden von Herrn Berthold Rüth, MdL und Vorsitzender der Enquete-Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Bayern“, Dr. Christoph Rabenstein, MdL und stellv. Vorsitzender der Enquete-Kommission, sowie Herrn Prof. Dr. Lothar Koppers, Direktor des Instituts für angewandte Geoinformatik und Raumanalysen der Hochschule Anhalt, empfangen. In einer spannenden Frage- und Diskussionsrunde konnten die Studierenden aus erster Hand Informationen über die Arbeitsweise und Ergebnisse der Enquete-Kommission erhalten. Das gemeinsame Gespräch drehte sich dabei hautsächlich um die Ziele der Kommission, nämlich die Entwicklung und Abwägung möglicher Handlungsoptionen gegen ein Auseinanderdriften Bayerns und für eine Stärkung der ländlichen Regionen. Den Fokus legten die Gesprächsteilnehmer dabei auf Möglichkeiten zur Verbesserung der Verkehrsanbindung, Bildung, Arbeitsmarktsituation und Gesundheitsversorgung.

Nachdem am Folgetag, dem 18. Mai, die zweite Seminarrunde an der FAU in Nürnberg erfolgreich abgeschlossen wurde, folgten die Studierenden am 19. Mai einer Einladung von Herrn Prof. Dr. Lutz Bellmann, Leiter des Forschungsbereichs Betriebe und Beschäftigung am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Prof. Bellmann referierte zum Thema „Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland” und verwob seinen Vortrag geschickt mit dem IAB-Betriebspanel, welches als Datengrundlage für seine Präsentation diente. Er stellte heraus, dass der Mindestlohn keinen messbaren Effekt auf das Beschäftigungsniveau – weder in Ost- noch in Westdeutschland – zeige. Vielmehr haben die betroffenen Betriebe ihre Preispolitik angepasst, sodass in den jeweiligen Branchen die Preise gestiegen seien. Damit sei der Mindestlohn auch ein Instrument gegen Armut trotz Arbeit. Dabei ergänzte Prof. Bellmann seinen Vortrag um praktische Erfahrungen, die er als Ökonom und Wissenschaftler sammeln durfte. Abschließend gelang es ihm, den Studierenden zukünftige Forschungsperspektiven aufzuzeigen, indem er auf das IAB-Betriebspanel verwies, das Wissenschaftlern aller Couleur offenstehe, um eigenständige Forschungsvorhaben zu realisieren. Somit eröffnete der Abschluss des Seminars und der Exkursion den Studierenden die Möglichkeit, die im Verlauf der Veranstaltung erarbeiteten Thesen und Forschungsergebnisse eigenständig zu einem größeren Forschungsvorhaben auszubauen.

Text: Felix A. Dörstelmann

2024-4 Mai 2024 2024-6
 
 
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