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Europakonferenz: Europäische Perspektiven nach dem russischen Angriffskrieg
Wie steht es nach dem Beginn des Angriffskrieges von Russland auf die Ukraine um Europa und die europäische Sicherheitsarchitektur? Wie sieht es mit dem Klimaschutz in der Krise aus? Eine Diskussion mit ExpertInnen.

Die Tagung wurde am Abend des 11. Oktobers mit einer Keynote Speech von Dr. Thomas Mayr-Harting, dem ehemaligen Vertreter Österreichs bei den Vereinten Nationen, eröffnet. Mayr-Harting zeigte in seinem Vortrag die europäischen Perspektiven nach dem russischen Angriff auf die Ukraine auf. Er hob hervor, dass die Reaktionen der EU äußerst schnell erfolgten und auch in inhaltlicher Hinsicht eine Zäsur darstellen. Möglicherweise sei die EU daran, sich zu einem internationalen Akteur zu entwickeln, der strategische Autonomie erlange und so seine Interessen durchsetzen könne. Am zweiten Tag begrüßten Dr. Markus Ehm, Regionalleiter der Hanns-Seidel-Stiftung, und Prof. Ellen Bos, Prorektorin der AUB, die Teilnehmenden.

Europäische Identität(en)

Anschließend stand im ersten Panel die Frage nach einer gemeinsamen europäischen Identität im Zentrum. Prof. Michael Gehler ging auf die Wechselbeziehungen zwischen Krisen und der Weiterentwicklung der europäischen Integration ein und zeigte auf, dass für einen nächsten Entwicklungsschritt (Erweiterung auf den Westbalkan) auch eine tiefgreifende Revision der Verträge vonnöten wäre, allerdings schätzte er diese Möglichkeit sehr skeptisch ein. Prof. Ladislav Cabada beleuchtete das wechselvolle Verhältnis zwischen den west- und osteuropäischen Staaten. Er machte aber auch deutlich, dass die sich gegenwärtig verschärfenden Konflikte nicht nur einseitig mit der Gefahr des Auseinanderdriftens Europas gleichgesetzt werden dürften, sondern auch als Zeichen dafür gewertet werden können, dass sich die Beziehungen zwischen den Staaten normalisierten und eine Interessenpolitik unter nunmehr gleichwertigen Partner stattfindet. Schließlich erörterte Prof. Balázs Schanda das aus der ungarischen Verfassung abgeleitete Konzept der konstitutionellen Identität, das Kernelemente der ungarischen politischen Identität rechtlich definiere, aber keineswegs der europäischen Identität entgegenstehe, da die ungarische Verfassungsidentität mit den europäischen Werten kompatibel sei. Allerdings hob Schanda auch hervor, dass in einer pluralistischen Gemeinschaft wie der EU partielle Abweichungen oder Konflikte auszuhalten seien.

Debatte über die Wettbewerbsfähigkeit der EU

Das zweite Panel zur Wettbewerbsfähigkeit der EU wurde von Prof. Dietmar Meyer eröffnet. Er ging der Frage nach, wie unter den Bedingungen einer alternden Wohlfahrtsgesellschaft, welche ihre Ressourcenbasis nur beschränkt ausdehnen könne, eine Steigerung der Wohlfahrt bzw. des Wirtschaftswachstums erzielt werden könne. Nach Prüfung der gängigen ökonomischen Wachstumstheorien kam er zum Schluss, dass der erfolgversprechendste Weg die Investition in Humankapital und eine intersektionale Zusammenarbeit von Wissenschaft und PraktikerInnen sei, mit dem Ziel, die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft zu stärken. Dr. Kristina Kurze ging davon aus, dass heute der Übergang zur nachhaltigen Wirtschaft und der Einsatz erneuerbarer Energien grundsätzlich nur noch eine Frage des „Wann“ und nicht mehr des „Ob“ sei. Allerdings thematisierte sie in diesem Zusammenhang auch mögliche Verzögerungstaktiken und zeigte aktuelle Risiken für den Übergang auf.

Anforderungen an eine zukunftsfähige Verfassung

Das dritte Panel suchte Antworten auf die Frage, welche Reformen notwendig seien, um der EU eine zukunftsfähige Verfassung zu verschaffen. In diesem Kontext betonte Dr. Nicolai von Ondarza, dass die EU in Zukunft mehr Mehrheitsentscheidungen benötige und zeigte auf, auf welche Weise die notwendigen Vertragsänderungen durchgesetzt werden könnten. Prof. Ellen Bos untersuchte, welchen Beitrag die neue Rechtsstaatskonditionalität zur Lösung der Konflikte Ungarns mit der EU leisten könne. Sie kam zu dem Schluss, dass der Mechanismus zwar den Druck auf die ungarische Regierung erhöhen, dass aber dies alleine nicht alle Mängel lösen könne. Hierfür bräuchte es in Ungarn selbst eine Anpassung der Innenpolitik.

Eine neue Sicherheitsarchitektur für Europa?

Im letzten Panel ging es um die Frage, ob Europa eine neue Sicherheitsarchitektur benötige. Dr. Heinrich Kreft machte deutlich, dass die Ordnung, die sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in Europa etabliert hatte, obsolet geworden sei. Kreft hielt fest, dass Europa sich auf eine weniger friedliche Zeit einstellen müsse, in welcher mit ständigen Konflikten mit Ländern wie Russland und China zu rechnen sei. Dr. András Hettyey thematisierte den teilweisen Sonderweg Ungarns innerhalb der EU und der NATO. Dieser lasse sich sehr gut anhand des Verhältnisses zu Russland herausarbeiten. Gewisse ungarische Positionen könnten rational aus der geopolitischen Lage des Landes (Energieabhängigkeit) abgeleitet werden, demgegenüber ließe sich in anderen Fragen die Sonderrolle des Landes weniger leicht rational erklären.

Schließlich zeigte Prof. Zoltán Tibor Pállinger in seinem Vortrag auf, vor welche Herausforderungen der russische Angriff auf die Ukraine die schweizerische Außen- und Sicherheitspolitik gestellt habe. Er arbeitete heraus, dass die Schweizer Diskussion als Indikator für die Einschätzung der Chancen einer EU-Sicherheitspolitik herangezogen werden kann, diese aber von Schweizer Seite grundsätzlich skeptisch bewertet werde.

In der abschließenden Diskussion wurden die zahlreichen Herausforderungen für die EU nochmals rekapituliert, aber es wurde auch hervorgehoben, dass europäische Integration immer an Krisen gewachsen sei, in diesem Sinne stünden auch die Chancen für einen weiteren Entwicklungsschritt der Union nicht schlecht.

Die Andrássy Universität Budapest dankt der Hanns-Seidel-Stiftung für die großzügige Unterstützung dieser Veranstaltung.

Die Aufzeichnung der Veranstaltung finden Sie auf YouTube.

Michael BAMBERG.

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