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Eine Bestandsaufnahme im Zeitalter des Krieges
Dr. Nathalie Tocci und Dr. András Rácz fanden in ihren Analysen des Krieges in der Ukraine und der sich wandelnden geopolitischen Lage sehr ehrliche und direkte Worte.

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Visions for Europe“ des Zentrums für Diplomatie an der AUB und der Friedrich-Ebert-Stiftung fand am 31.03.2022 ein IB-Dialog zum Thema „Russia´s attack on Ukraine: The fallout for the EU and the future of the European Security Architecture“ statt.

Nach der Begrüßung durch Beate Martin, Leiterin des Budapester FES-Büros, hielten Dr. Nathalie Tocci und Dr. András Rácz Impulsvorträge zu den Auswirkungen des unprovozierten russischen Angriffs auf die Ukraine und die Zukunft der europäischen Sicherheitsarchitektur.

Frau Martin betonte in Ihrer Begrüßung die große Wichtigkeit der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU und griff die aktuelle Veröffentlichung des Strategischen Kompasses auf. Sie erklärte, dass die 27 EU-Mitgliedsstaaten zum ersten Mal ihre gemeinsamen Sicherheitsinteressen formuliert haben und dies ein Wendepunkt für die EU als Security Provider und ein vielversprechender Schritt für die GSVP sei.

Dr. Kreft verwies im Anschluss auf die außergewöhnlichen politischen Reaktionen des Westens in Folge der russischen Militäroffensive auf die Ukraine und die große geostrategischen Bedeutung Osteuropas. Er nannte insbesondere das Beispiel der massiven Umgestaltung der deutschen Außenpolitik, inklusive der Aufstockung des Militärhaushalts, sowie die Waffenlieferungen Deutschlands und der EU an die Ukraine. Er skizzierte das Bild einer stark veränderten zukünftigen Sicherheitsarchitektur Europas.

Dr. Tocci stellte in ihrem Impulsvortrag die Theorie des Wandels von der Zeit des Idealismus über die Zeit des Pragmatismus hin zu einem Zeitalter des Krieges vor. Der Idealismus, dominiert von einem starken Glauben an die internationale Ordnung, sei spätestens 2007 von Pragmatismus abgelöst worden. Dieser führte zur Einsicht, dass illiberale neben liberalen Normen und Werte existieren werden, sich die Macht über den Westen hinaus verlagert und die Beziehungen zu Russland zunehmend angespannt sind. Mittlerweile sei das Zeitalter des Krieges angebrochen: das Paradigma der Nachkriegszeit habe sich zu einem der (Vor-)Kriegszeit gewandelt. Tocci führte aus, dass aufgrund dessen ein erhöhter Bedarf an Verteidigungsanstrengungen der EU bestünde. Zwar bliebe die spezielle Form der Ausgestaltung der Zusammenarbeit zwischen EU und NATO noch offen, jedoch sei es vorstellbar, dass die NATO auf operationaler Ebene der Hauptakteur bleibt, während die EU ein wichtiger Akteur in Bezug auf die industrielle und finanzielle Seite der Zusammenarbeit werden kann. Darüber hinaus stellte Tocci die Bedeutung der Wiederbelebung der Idee der Erweiterung für die EU und die NATO heraus. Es sei wichtig sich nicht auf die offensichtlichsten Beitrittskandidaten zu beschränken, sondern auch weiter zu denken, um eine russische Zugewandtheit bestimmter Staaten zu durchbrechen.

Dr. Rácz analysierte die Aussichten für Russland und die Ukraine. Er führte aus, dass unabhängig vom Ausgang des Krieges eine vertiefte militärische Verflechtung zwischen Belarus und Russland absehbar sei. Zudem bestünde eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass Russland die Regionen Donezk und Luhansk sowie die Krim nicht aufgeben und die Ukraine höchstwahrscheinlich den Zugang zum asowschen Meer verlieren wird. Er betonte, dass die Illusionen über die Zusammenarbeit des Westens mit Russland vorbei seien. Russland versuche die Sanktionen zu umgehen und dem Westen mittels der Inflation schaden zuzufügen. Außerdem suche es auch nach anderen Kooperationspartnern, allen voran China. Es sei zudem unwahrscheinlich, dass der Kreml innenpolitisch gezwungen wird, den außenpolitischen Kurs zu ändern, da die Zustimmungswerte der russischen Führung in der Bevölkerung enorm hoch seien und die Popularität der Regierung sogar weiter steige.

Zuletzt wurde die Rolle Chinas im Ukrainekrieg sowie Chinas Verhältnis zu Russland erörtert. Diese strategische Ambiguität Chinas wurde als abwartende Haltung charakterisiert, eine Position deren zukünftige Ausgestaltung auch von der EU und dem Westen mitgestaltet werden könne. Das Fazit lautete deshalb: „Es hängt auch von uns ab.“

Liza STOFFERS

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