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Ein Vergleich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit („best practices“) in der Region SaarLorLux sowie Ungarn-Slowenien-Kroatien-Serbien
Minister, Staatssekretäre, Abgeordnete und Kommunalpolitiker diskutierten mit Wissenschaftlern über die Errungenschaften und Herausforderungen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in ihren Regionen

Eingeleitet wurde die Konferenz durch die Grußworte der Veranstalter; seitens der AUB durch Prof. Dr. Zoltán Pállinger, Rektor und Dr. Heinrich Kreft, Lehrstuhlleiter für Diplomatie II., sowie vonseiten der KAS durch Auslandsbüroleiter Michael Winzer. Im Anschluss wurden die beiden Vorträge des Abends gehalten, beginnend mit der ungarischen Staatssekretärin Dr. Orsolya Pacsay-Tomassich sowie im Anschluss von Nataša Tramišak – kroatische Ministerin für Regionale Entwickung und EU-Fonds. Sie stellten die Wichtigkeit von grenzüberschreitenden Projekten in den Vordergrund, so wie es diese zwischen Ungarn und Kroatien bereits zahlreich gegeben hat (ein prominentes Beispiel: die Entfernung von Jugoslawischen Landminen an der gemeinsamen Grenze). Von der ungarischen Seite wurden jedoch auch Probleme angesprochen, darunter administrative sowie rechtliche Hürden, welche eine intensivierte Kooperation erschweren würden. Dies wurde, wie sich in den Vorträgen der folgenden Tage herausstellte, zu einem Kernpunkt, der stets wie ein roter Faden durch die von den kommunalen Politikern angesprochenen Probleme hervorschien. Auch die infrastrukturell bedingte Abwanderung aus Grenzregionen wurde problematisiert. Frau Tramišak sprach zudem die Verfügbarkeit von Finanzierungsmöglichkeiten für grenzüberschreitende Projekte an, sowohl vonseiten der Nationalstaaten als auch der EU. Hier gebe es erweiterten Bedarf für die Förderung von lokaler Kooperation im Geiste von, wie sie es nannte, „small people-to-people actions.“

Die Konferenz wurde mit einem regionalen Fokus auf den Grenzraum SaarLorLux– bestehend aus dem Saarland, Lothringen, Luxemburg, Wallonien und Teilen von Rheinland-Pfalz fortgesetzt. Hierzu gab es eine geschichtliche Einführung der Grenzregion durch Jun.-Prof. Dr. Florian Weber von der Universität des Saarlandes, der vor allem die Deutsch-Französische Geschichte aber später auch die Einbindung Luxemburgs und Belgiens näherbrachte. Die Deutsche Perspektive wurde vertreten durch den ehemaligen MdB Bernhard Kaster, den Präsidenten der Deutsch-Luxemburgischen Wirtschaftsinitiative Ralf Britten, als auch Landrat Günther Schartz, welche allesamt von Erfahrungen aus der Stadt Trier und Umgebung berichteten. Aus dem angrenzenden Luxemburg sprach Léon Gloden, dortiger Parlamentsabgeordneter und Bürgermeister von Grevenmacher. Teilnehmen konnte zudem der Nordrhein-Westfälische Staatssekretär Mark Speich, der Erfahrungen mit der Grenzregion zu Belgien und den Niederlanden teilte. Für die französische Perspektive sorgte online zugeschaltet Christophe Arend, Parlamentsabgeordneter des Lothringischen Moselle, während Pascal Arimont ebenfalls online aus dem Ostbelgischen Eupen über seine Tätigkeit im EU-Parlament berichtete, in dem er im Ausschuss für regionale Entwicklung mitwirkt.

Bezüglich der Vorteile von grenzüberschreitender Kooperation herrschte schnell ein Konsens: die Redner betonten die zentrale Rolle der jeweiligen Ecksteine der Europäischen Integration – der Elysée-Vertrag, das Karlsruher Abkommen, sowie der neuere Aachener Vertrag. Das Schengener-Abkommen wurde jedoch im Besonderen hervorgehoben, welches es ermöglicht, dass tagtäglich etwa 250.000 Pendler die Grenzen von SaarLorLux überqueren – davon ganze 200.000 alleine nach Luxemburg. Sowohl durch den arbeitsmarktbedingten Grenzverkehr als auch durch ihre Geschichte ist die SaarLorLux-Großregion institutionell eng verflochten. Bereits vor der Entstehung des EVTZ Eurodistrict SaarMoselle waren kommunale Vertreter im Interregionalen Parlamentarierrat vertreten, der statt den nationalstaatlichen Interessen der einzelnen Kommunen die länderübergreifende Zusammenarbeit fördern sollte. Einen ähnlichen Prozess hat die Kooperation zwischen Grenzregionen in Deutschland und der Niederlande hervorgebracht. So sei es mittlerweile Tradition, dass die Regierung in NRW regelmäßig zu gemeinsamen Kabinettssitzungen mit der Niederländischen Regierung zusammentrifft – ein Vorgang, der vom Auswärtigen Amt in Berlin vorerst auf Skepsis traf. Auch gebe es eine jährlich stattfindende Grenzlandkonferenz, in der Deutsche und Niederländische Vertreter zu Themen wie Arbeitsplätzen, Bildung, Verkehr und Kriminalität gemeinsam an Ideen und Lösungen arbeiten.

Die Redner berichteten im Alltag der SaarLorLux-Großregion von überregionalen Einsätzen von Polizei- und Feuerwehrkräften, der Zusammenarbeit im Bau von Infrastruktur (eine gemeinsame Abwasseranlage sowie eine Grenzbrücke wurden erwähnt), als auch von grenzüberschreitenden Kulturprojekten.

Die Redner kamen jedoch schnell auch auf Problemen zu sprechen. Ein universelles Problem stellten zuletzt die abrupten Grenzschließungen in Folge der Corona-Pandemie dar. Von jeder Seite wurde eigens kritisiert, dass die im Schengen-Abkommen reglementierte temporäre Grenzschließung ein ungeeignetes Instrument gewesen sei, gegen eine solche Pandemie vorzugehen. An dieser Stelle sei weitaus mehr Schaden durch die Schließung entstanden als man durch sie hätte verhindern können. Dies spreche auch für die Relevanz von grenzüberschreitender Kooperation und vor allem Kommunikation, da sich die regionalen Vertreter oftmals durch ihre Nationalregierungen im Stich gelassen fühlten. Grenzüberschreitend habe man mit dem Nachbarn oft mehr Gemeinsam als mit der weit entfernt liegenden Hauptstadt.

Vor allem rechtliche und anderweitig bürokratische Regularien stellen die Kommunen vor Probleme. Léon Gloden berichtete von einem gescheiterten Versuch, einen grenzüberschreitenden Mechanismus zu einer rechtlichen Vereinfachung der tagtäglichen Zusammenarbeit durchzusetzen. Auch Christoph Roth, der aus dem Saarländischen Ministerium für Finanzen und Europa zugeschaltet war, äußerte sich kritisch gegenüber dem „regulatorischen Dschungel“ – gerade aus der Sicht von privaten Unternehmen aus der Region. Er sprach sich für eine Harmonisierung des Wirtschaftsrechts aus, bei dem sich die EU ein Vorbild an dem einheitlichen Wirtschaftsrecht der USA nehmen solle.

Im Anschluss folgten die Erfahrungsberichte aus Ungarn mitsamt Nachbarstaaten. Die Anwesenden konnten einen Einblick in die Geschichte der hiesigen Grenzregion, sowie zur geographischen Entwicklung der Grenzverschiebungen und der Aufteilung der vielen dort lebenden nationalen Minderheiten – in Form von Vorträgen von Ferenc Németh (Institut für Auswärtige Angelegenheiten und Handel) und Gyula Ocskay (Generalsekretär CESCE und Leiter des European Institute of Cross-Border Studies) gewinnen. Diesen folgten die Erfahrungsberichte von Vertretern aus Ungarn, Kroatien und Serbien, vorgetragen von Stella Arneri (Ministerium für Regionale Entwicklung und EU-Fonds, Kroatien), Gabriella Haas (European Affairs Fund of AP Vojvodina, Serbien), Zoltán Bali (stellv. Bürgermeister Zalaegerszeg, Ungarn), Vladimir Ham (Stadtrat Osijek, Rat für nationale Minderheiten in Kroatien, Deutsche Gemeinschaft) und Sanda Simic Stambolic (Ministerium für EU-Integration, Serbien).

Ähnlich wie in der Diskussion zu SaarLorLux wurde rasch ein einheitliches „theme“ deutlich. Grenzüberschreitende Kooperation sei gerade für die infrastrukturelle Entwicklung notwendig, da die wirtschaftliche Anbindung der jeweiligen Regionen noch zu schwach ist. Im Kontrast zur jüngeren Geschichte von SaarLorLux ist die Verflechtung hier nicht nur vorangeschritten, sondern musste vielmals Rückschläge erleiden. Die territorialen Verschiebungen und Zerstörungen der Weltkriege ebenso wie der spätere Zusammenbruch des Ostblocks und Jugoslawiens haben die Integration der Region behindert. Der Preis der nationalen Souveränität und Freiheit war nicht selten der eines gravierenden Einschnitts in die Mobilität von Grenzgemeinden. Zur Überraschung des Publikums wurde erwähnt, dass die heutigen ungarischen Grenzregionen vor Ausbruch des ersten Weltkrieges oftmals besser an ihre Nachbarn angebunden waren als sie es heute sind. So leben auch eine Vielzahl von Minderheiten heutzutage außerhalb der traditionellen territorialen Grenzen und müssen durch kommunales Engagement geschützt und integriert werden.

Ein solches Engagement nimmt oftmals die Form von Entwicklungspartnerschaften und sog. „town-twinnings“ an, welche auch durch Europäische EVTZ’s gefördert werden. Von mehreren Seiten wurde jedoch kritisiert, dass die EVTZ’s zu breit angelegt sind und dass kleinere Kommunen zu wenig von diesen profitieren. Länderübergreifend wurde auch das Thema INTERREG immer wieder aufgegriffen, welches bei den Rednern sowohl Lob für die von der EU ausgehende Förderungsbereitschaft als auch Kritik an deren konkreter Umsetzung erntete. Bürokratische Hürden seien auch hier ein Hauptproblem, für deren Überquerung es kleinen Kommunen oftmals an finanziellen Mitteln und Personal mangelt. Bereits am Vormittag hatte sich Pascal Arimont, der auch Verhandlungsführer des INTERREG ist, zu der Notwendigkeit einer stärkeren EU-Finanzierung der Programme geäußert.

Der letzte Tag der Konferenz wurde durch einen Vortrag von Katalin Kovács-Toperczer aus der EU-Vertretung in Budapest eingeleitet, die hierin konkreter über die Ziele des INTERREG als Teil der sog. EU Cohesion Policy berichtete. Sie verwies auf fünf Eckpunkte der policy, darunter die Förderung von Innovation, nachhaltigem Wachstum, Mobilität, sowie sozialer und regionaler Entwicklung – ein Plan, der ca. 30% des EU-Budgets umfasst. Sie bezeichnete den INTERREG als flagship scheme für grenzüberschreitende Zusammenarbeit, welches zurzeit über ein Budget von 9 Mrd. EUR verfügt, davon 259 Mio. EUR für Projekte in Ungarn. Zudem berichtete Sie von einer Vielzahl von erfolgreichen Kooperationsprojekten Ungarns, darunter mit Kroatien, Serbien und Slowenien. In der darauffolgenden Q&A musste sie sich jedoch den kritischen Fragen der anwesenden Kommunalpolitiker stellen, die auf Probleme in der praktischen Umsetzung von INTERREG-Projekten hinwiesen – vor allem in den dafür notwendigen Bewerbungsverfahren. In der darauffolgenden Panel-Diskussion kamen ebenfalls geopolitische Besorgnisse über den potenziellen Einfluss Chinas auf Grenzregionen zur Sprache, sowie die Rolle von Erasmus-Studenten bei der europäischen Integration.

Anschließend fand ein Treffen nördlich von Budapest, in den benachbarten Grenzstädten Esztergom (Ungarn) und Sturovo/Párkány (Slowakei) statt, wo die Teilnehmer der Konferenz sich mit Fruzsina Nagy, Direktorin der Esztergom Tourism Nonprofit GmbH sowie mit dem Bürgermeister von Sturovo, Eugen Szabó über die Erfahrungen grenzüberschreitender Zusammenarbeit zwischen Ungarn und der Slowakei in der „Region Ister-Granum“ miteinander ausgetauscht haben.

Teilnehmer sowie Gastgeber überquerten auch die ungarisch-slowakische Grenze in Richtung Slowakei auf der vor 20 Jahren wiederaufgebauten Donau-Brücke, der Maria-Valeria-Brücke.

Die in dem Zweiten Weltkrieg gesprengte Maria-Valeria-Brücke wurde erst im Jahre 2001 wieder aufgebaut mit Hilfe des PHARE-Programms der Europäischen Union. Seitdem ist sie zum Symbol der Zusammengehörigkeit geworden.

Johannes KREFT

2024-2 März 2024 2024-4
 
 
 
 
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