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Die Katholische Kirche in Brüssel: Wie die Interessen des Heiligen Stuhls gegenüber der Europäischen Union vertreten werden
Welche Rolle haben Religionen in der Diplomatie? Zum Auftakt der Veranstaltungsreihe „Religion und Diplomatie“ sprach der Erzbischof von Luxemburg SE Kardinal Jean-Claude Hollerich SJ über die Vertretung kirchlicher Interessen gegenüber der EU.

Die vom Lehrstuhl für Diplomatie II organisierte Veranstaltungsreihe „Religion und Diplomatie“ wurde am Dienstag, dem 07.09.2021, im Spiegelsaal der Andrássy Universität mit der Dialogveranstaltung „Die Kirchen und die Europäische Union“ eröffnet. Zum Auftakt bedankte sich der scheidende Rektor Prof. Dr. Dietmar Meyer bei Dr. Heinrich Kreft für die Initiative, eine solche Reihe im Rahmen des IB-Dialogs ins Leben zu rufen und wies in seinem Grußwort darauf hin, dass der Faktor der Religion bei außenpolitischen Strategien und deren Verwirklichung nicht ignoriert werden dürfe. Anschließend führte Dr. Kreft in das Thema des Abends ein und stellte SE Kardinal Jean-Claude Hollerich SJ, Erzbischof von Luxemburg und Präsident der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Union (COMECE), als Ehrengast der Veranstaltung vor.

Kardinal Hollerich referierte über das Verhältnis der Kirchen und insbesondere der Katholischen Kirche zur Europäischen Union (EU). Dabei sei es auch im Interesse der Kirchen – getreu dem Motto der Andrássy Universität – „Europa gestalten“ zu wollen. Deshalb unterhalte der Heilige Stuhl seit über 50 Jahren diplomatische Beziehungen zu den europäischen Institutionen, doch auch über die Botschaft hinaus seien mit christlichen Nichtregierungsorganisationen (NGOs), der COMECE oder der Konferenz Europäischer Kirchen (CEC) zahlreiche Akteure in Brüssel und Straßburg aktiv, um die Arbeit der EU zu verfolgen und kirchliche Interessen in die Politiken der EU einfließen zu lassen.

In seinen Ausführungen betonte der Kardinal, dass es sich bei den Aktivitäten der kirchlichen Institutionen nicht um Lobbyarbeit im klassischen Sinne handle, denn nach Art. 17 EUV sollen die EU-Institutionen den Dialog mit den Religionen pflegen, weshalb sowohl seitens der Kommission als auch im Parlament direkte Ansprechpartner für den Kontakt mit den Religionen existieren. Auch wenn er mit der COMECE die katholischen Bischöfe vertrete, sei die Zusammenarbeit mit den anderen in der CEC organisierten Kirchen eng, denn „als Christen in Europa sind wir gemeinsam stärker“, so Kardinal Hollerich. Die kirchlichen Interessen seien dabei nicht allein religiöser Natur, vielmehr gehe es den Kirchen um soziale und politische Positionen, um Klima- und Migrationspolitik ebenso wie um so unterschiedliche Fragen wie der Abtreibung und. der EU-Erweiterung. 

Die Vielfalt der Themen verdeutliche, dass die Kirchen sich breit aufstellen und auf verschiedene Partner setzen müssten. Dabei teilten sich COMECE und CEC die Dossiers auf und agierten gemeinschaftlich, bspw. beim Entwurf von Positionspapieren, die der jeweiligen EU-Ratspräsidentschaft übergeben werden. Es zeige sich aber auch, dass sich Sympathisanten kirchlicher Interessen über alle Fraktionen hinweg finden: Während die Verbindungen zu christdemokratischen Akteuren traditionell eng sind, treffen die sozial-, migrations- und klimapolitischen Positionen der Kirchen auch bei sozialdemokratischen und grünen Abgeordneten auf offene Ohren.

Schließlich resümierte Kardinal Hollerich, dass die Kirchen die friedensstiftende Arbeit der EU schätzen und unterstützen. Auch der Papst sei der Auffassung: „Ohne die EU wäre es eine viel gefährlichere Welt, die EU schaffe Frieden“. Um Konflikte auch in Zukunft verhindern zu können, sei es deshalb wichtig, dass die EU neben der Freiheit und der Gleichheit im Sinne des Fratelli tutti die Brüderlichkeit wieder mehr in den Vordergrund stelle und „Nächstenliebe gegenüber Menschen, die weit entfernt leben“ walten lasse.

In Anschluss an seinen Vortrag stand Kardinal Hollerich für einen Dialog mit Dr.Kreft und Fragen des Publikums zur Verfügung. Dabei betonte er die Aktualität des Eintretens für Religionsfreiheit, die Wirkmacht kirchlicher Versöhnungsarbeit im Dialog der Religionen und die Notwendigkeit, allen Menschen offen und mit Respekt zu begegnen und unterschiedliche Ansichten zu akzeptieren. Gleichwohl warnte er vor der Säkularisierung Europas und einer möglichen Dominanz des liberalen Staates.

Die Veranstaltung wurde dankenswerterweise von der Hanns-Seidel-Stiftung unterstützt.

Johannes SCHMIDT, Eldaniz GUSSEINOV

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