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Der materielle Kern der Verfassung als ewige Grenze der EU-Integration – Die tschechische Sicht
Vortrag von Dr. Pavel Molek, Richter am Obersten Verwaltungsgerichts der Tschechischen Republik und Dozent an der Masaryk-Universität in Brünn.

Die Veranstaltung am 30. November 2016 lehnte sich an die Analysen des Referenten über die EU-Mitgliedschaft der Tschechischen Republik und deren Grenzen an, die im Spiegel der Rechtsprechung durch das Oberste Verfassungsgericht beleuchtet wurden. Das Oberste Verfassungsgericht der Tschechischen Republik erlangte besondere Aufmerksamkeit, indem es ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes kritisierte und diesem eine Überschreitung seiner Befugnisse vorwarf. Molek diskutierte in seinem Vortrag verfassungstheoretische Grundsätze, mit besonderem Augenmerk auf die Rolle der Ewigkeitsklausel. 

Erste Einschränkungen des Gesetzgebers durch Verfassungen hätte es zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert gegeben, die erste Ewigkeitsklausel sei hingegen im 20. Jahrhundert in Kraft getreten, erklärte Molek. Das aussagekräftigste Beispiel stelle der Artikel 79 (3) des deutschen Grundgesetzes aus dem Jahre 1949 dar, der seine Abänderung im Falle einer Berührung mit den in den Artikeln 1 bis 20 niedergelegten Grundsätzen für unzulässig erklärt habe. Gegenwärtig enthielten 192 Verfassungen Ewigkeitsklauseln. Diese seien für die europäische Integration weniger ein Hindernis, als eine Stütze; auch das deutsche  Grundgesetz könne dem Normenkatalog der Europäischen Union angepasst werden.

Als materiellen Kern einer Verfassung bezeichnete Molek verfassungsrechtliche Bestimmungen, die grundlegende strukturelle Merkmale einer Verfassung definieren würden. Deren Veränderung bringe das Risiko der Zerstörung der aktuellen Verfassung sowie von deren Rahmenbedingungen mit sich. Anschließend skizzierte der Referent vier Grundtypen von Verfassungen, die er durch das jeweilige Verhältnis zwischen der Ewigkeitsklausel und dem materiellen Kern einer Verfassung charakterisierte. 

Für die Kompetenzen von Verfassungsgerichten sei die Außerkraftsetzung von Verfassungsänderungen unvereinbar mit der Ewigkeitsklausel. Im Falle einer illegitimen Verfassungsänderung bezüglich des materiellen Kerns der Verfassung besitze das Verfassungsgericht lediglich  eine warnende Stimme in Richtung des Parlaments, so Molek. Eine weitere EU-Integration könne dem materiellen Kern der EU-Verfassungen widersprechen, nicht jedoch deren Ewigkeitsklauseln. Widersprüche mit dem materiellen Kern lösen sich langsam auf, indem sie den Rahmen für inländische Verfassungen wieder aufbauen.

Text: Bálint Lengyel

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