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Der "gute Staat"
Zentrum für Demokratieforschung
Konferenz zu Staatskonzepten im Spannungsfeld von Globalisierung und Renationalisierung.

Die von Ellen Bos und Zoltán Tibor Pállinger organisierte Konferenz führte die vom Zentrum für Demokratieforschung (ZeDem) angestoßene Auseinandersetzung über die Grundlagen der westlichen Demokratie weiter. Ausgehend von der kleinsten Einheit, dem Individuum, wurde zunächst das Konzept des Staatsbürgers (2012) und des guten Politikers (2014) diskutiert. Anschließend wurde die Perspektive erweitert, um die Grenzen der Demokratie (2015) auszuloten. Die Konferenz am 7. Dezember 2016 rückte nun den Staat in den Fokus. Ihr Ziel war es, aus interdisziplinärer Perspektive der Frage nachzugehen, was den guten Staat ausmacht und wo die Grenzen des Konzepts der Staatlichkeit liegen. Ausgehend von den normativen Grundlagen erfolgte eine Bestandsaufnahme und Einordnung aktueller Entwicklungen. Darüber hinaus wurden die wichtigsten Herausforderungen für das Konzept des Staates diskutiert. Den Abschluss bildete ein Abendvortrag zum Thema „Putinismus: Starker Staat auf tönernen Füssen?“ von Margareta Mommsen.

Nach der Begrüßung durch die Organisatoren widmeten sich die Referenten des ersten Panels den normativen Grundlagen der Demokratie. Zoltán Tibor Pállinger referierte über die Grundlagen und Zukunftsperspektiven der Schweiz als republikanisch-liberales Staatswesen. Ellen Bos beschäftige sich mit der Bedeutung von Grenzen für nationalstaatliche Identitäten. Sie thematisierte dabei, dass Globalisierung und Transnationalisierung zunehmend als Bedrohung wahrgenommen werden würden. Der zunehmenden Populismus und die neue Sehnsucht nach dem starken Nationalstaat würden eine Gefahr für die Demokratie darstellen. Dietmar Meyer und Siegfried Franke analysierten aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive das Konzept der Demokratie. Dabei konstatierten sie einen allgemeinen Vertrauensverlust der Bürger in die Politik und insbesondere in die demokratisch gewählten Vertreter. Franke mahnte aber an, ideologische Scheuklappen abzulegen. Die Verbindung von Kapitalismus und Marktwirtschaft habe die Demokratie durch die Schaffung von Wohlstand erst stabilisiert.

Das zweite Panel hatte aktuelle Entwicklungstendenzen in ausgewählten Staaten zum Gegenstand. Helmut Fehr arbeitete die Merkmale populistischen Regierens am Beispiel Polens und Ungarns heraus. Wichard Woyke erläuterte die Ursachen der Dauerkrise Frankreichs, während sich Kálmán Pócza mit dem Brexit und seinen Folgen für Europa und das Vereinigte Königreich beschäftigte. Abschließend zeichnete István Szabó ein Bild des zunehmend autoritären Ungarns der Zwischenkriegszeit von 1920-1941 und zeigte im Hinblick auf Reformen des Wahlrechts und der Verfassung interessante Parallelen zur heutigen Entwicklung auf.

Gegenstand des dritten Panels waren Herausforderungen und Neuerungen des Demokratiekonzepts. László Komáromi präsentierte Vor- und Nachteile direkter Demokratie am Beispiel Ungarns und lieferte Lösungsansätze zur Verbesserung der Anwendbarkeit dieses Politikinstrumentes. Ferdinand Trauttmansdorff plädierte für mehr regionale Kooperationen als Erweiterung des einzelstaatlichen Aktionsradiusses um größere Probleme vor Ort lösen zu können und diese nicht auf eine für die Bürger zu weit entfernte Ebene zu verlagern. So könne im kleineren Rahmen Kommunikation und Problemlösung geübt und verbessert werden. Zoltán Kantór betrachtete die Rolle von Minderheiten als Impulsgeber für eine Verbesserung der Demokratiequalität. So habe etwa Ungarn 13 anerkannte Minderheiten, die zum Staatscharakter und Pluralismus beitragen und gleichzeitig wichtige Brücken in andere Länder schlagen würden, von denen auch die Mehrheitsbevölkerung profitiere.

Die Konferenz wurde abgeschlossen durch den Abendvortrag von Margareta Mommsen, in welchem sie den Zustand des russischen Regimes untersuchte. Dabei charakterisierte sie Russland als einen vermeintlich starken Staat, der aber auf tönernen Füßen stehe, da er aufgrund autoritärer innenpolitischer Erstarrung nicht fähig sei, notwendige Strukturreformen umzusetzen. Überdies habe das gegenseitige Verständnis zwischen Russland und dem Westen abgenommen, so dass man sich zunehmend als Gegner sehe. Abschließend fassten Ellen Bos und Zoltán Tibor Pállinger die Resultate der Tagung zusammen und skizzierten die sich aus der Tagung ergebenden neuen Forschungsfragen.

Text: Stefan Drexler, Donald Pasha, Valentina Sysoeva

Lesen Sie zu dieser Konferenz auch den Artikel der Budapester Zeitung „Direkte Demokratie als Herausforderung für Ungarn – Reformvorschläge“.

2024-4 Mai 2024 2024-6
 
 
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