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Das Europa der Zukunft – 10 Jahre EU-Osterweiterung
Fakultät für Mitteleuropäische Studien
Festvortrag von Prof. Dr. Josef Höchtl

Am 19. Mai 2014 luden die Fakultät für Mitteleuropäische Studien (MES) an der Andrássy Universität Budapest (AUB) sowie die Waldviertelakademie (WavAk), die seit drei Jahren mit der AUB partnerschaftlich verbunden ist, zum Festvortrag von Prof. Dr. Josef Höchtl zum Thema „Das Europa der Zukunft – 10 Jahre EU-Osterweiterung“. Die Veranstaltung fand im Rahmen einer Tagesexkursion der Waldviertelakademie nach Budapest statt.

Die Eröffnung der Veranstaltung erfolgte durch den Prorektor der AUB, Prof. Dr. Hendrik Hansen, und den Vorstand der WavAk, Dr. Ernst Wurz, die in ihren Grußworten jeweils die Bedeutung der Zusammenarbeit der beiden Institutionen hervorhoben und den Wunsch nach einer Vertiefung der Partnerschaft äußerten.

In seinem Vortrag erläuterte Prof. Höchtl zunächst seinen persönlichen Bezug zur Thematik der europäischen Einigung und zur Verständigung der europäischen Staaten. So habe ihn seine Kindheit und Jugend in einer niederösterreichischen Gemeinde unweit des als „Konfliktzone“ wahrgenommenen Eisernen Vorhangs bewogen, in die Politik zu gehen, wobei es sein Ziel gewesen sei, mit zur Überwindung der politischen und kulturellen Teilung Europas beizutragen. Als Schlüsseljahre in diesem Zusammenhang bezeichnete Höchtl die Jahre 1956 und 1968, da die Ereignisse in Budapest und Prag deutlich gemacht hätten, das auch jenseits der „Systemgrenze“ der Wunsch nach Freiheit und friedlicher Entfaltung der europäischen Völker existierte. Eine wichtige Vorleistung für die Schaffung eines geeinten Europa und die Sicherung des europäischen Friedens sei die Gründung der Montanunion (EGKS) gewesen, hätten doch erst die Deregulierung und Entnationalisierung des Eisen- und Stahlsektors in Frankreich und Deutschland geholfen, den lange anhaltenden wirtschaftlichen und auch politischen Gegensatz der beiden Länder abzubauen. Höchtl betonte die Bedeutung der EU insbesondere für die Sicherung des wirtschaftlichen und politischen Fortschritts im Europa der Gegenwart, habe sie doch erst den Ländern West-, Mittel- und Osteuropas langfristigen Frieden und Stabilität gebracht. Als problematisch bezeichnete er die Tatsache, dass aufgrund des langsamen Verblassens des Wissens um die konfliktreiche europäische Vergangenheit dieser positive Status Quo zunehmend als selbstverständlich empfunden werde und sich in weiten Teilen Europas eine zunehmende EU-Skepsis breit mache. Dies sei, so Höchtl, eigentlich nur schwer nachzuvollziehen, hätten doch sämtliche EU-Staaten vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von ihrer Mitgliedschaft profitiert. Am Deutlichsten wäre dies bei den vor zehn Jahren neu aufgenommenen Staaten Ostmitteleuropas, deren Bruttoinlandsprodukt sich stark gesteigert habe. Von der sogenannten „Osterweiterung“ des Jahres 2004 hätten jedoch auch die bisherigen Mitgliedsstaaten, darunter vor allem Österreich, aufgrund der Impulse für ihre jeweiligen nationalen Wirtschaften maßgeblich profitiert. Gegenwärtig sei die EU mit 500 Millionen Einwohnern und 25% Anteil an der weltweiten Wirtschaftsproduktion sowie 50% der weltweit zur Auszahlung gelangenden Sozialleistungen als einzigartiges Erfolgsmodell des Fortschritts und Wohlstandes zu bezeichnen, es bedürfe jedoch weiterer Anstrengungen, um in Zeiten der Krise, bei deren Bewältigung die EU eine große Rolle gespielt hätte, diesen Status auch halten zu können. Die ungeachtet dessen bestehenden Vorbehalte gegenüber der EU und ihrer Institutionen, die zum Teil auch mit einem Wiedererstarken nationaler und autoritärer Tendenzen in zahlreichen Staaten einhergehe, seien ein deutliches Warnsignal. Höchtl schloss seine Ausführungen mit der nochmaligen Betonung der Bedeutung der EU für die positive wirtschaftliche und politische Entwicklung Europas in den zurückliegenden Jahrzehnten und äußerte die Hoffnung, dass es gelingen würde, das Erfolgsprojekt der europäischen Einigung gemeinsam fortzusetzen.

In der anschließenden Podiumsdiskussion griff der Ungarische Staatssekretär Prof. Dr. Zoltán Maruzsa die von Höchtl angesprochene Problematik des Verblassens der Erinnerung an die Konfliktgeschichte Europas auf und wies auf die Notwendigkeit hin, insbesondere für jüngere Generationen neue Anknüpfungspunkte und Identifikationsfiguren im gemeinsamen Europa zu schaffen. Gesandter Johannes Leibetseder bestätigte Höchtls Ausführungen hinsichtlich der in ganz Europa anzutreffenden EU-Verdrossenheit, was er seiner Meinung nach vor allem darauf zurückzuführen sei, dass die EU-Institutionen vielfach als aufgeblasen und ineffizient wahrgenommen werden würden. Dafür wären jedoch nicht zuletzt viele der nationalen Regierungen verantwortlich, die positive Entwicklungen als ausschließlich eigene Leistungen verkaufen und die Verantwortung für schmerzhafte Maßnahmen und unangenehme Umstände gewissermaßen nach Brüssel abschieben würden. Bei dieser „Verteilung von Erfolg und Verantwortung“ spielen, wie Höchtl schließlich in seiner Antwort replizierte, auch die Medien eine nicht immer sonderlich rühmliche Rolle. Von letzteren forderte für die Zukunft ebenso wie von den Regierungen mehr Rückgrat und Verantwortungsbewusstsein ein. Der Podiumsdiskussion schloss sich noch eine rege Diskussion zwischen dem Vortragenden und dem zahlreich anwesenden Publikum an, die nach dem Ende des offiziellen Teils bei Wein und Pogatschen fortgesetzt wurde.

Text: Dr. Richard Lein

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