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Crisis and Governance in Europe: Implications for State, Market and Society
Bericht zum Doktorandenworkshop

Die deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften, das deutsche Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer und die Andrássy Universität Budapest veranstalteten zwi- schen dem 18. Und 19. April gemeinsam einen Doktoranden-Workshop zum Thema Krise und Krisenmanagement in Europa. Dazu luden sie junge Wissenschaftler aus unterschiedli- chen Disziplinen und Ländern ein, um ihre Arbeit zum Thema Auswirkung der verschiedenen Krisen, von denen die meisten Länder in den letzten Jahren ergriffen wurden, auf die Politik, Verwaltung und Wirtschaft und welche innovativen Lösungsansätze zur Überwindung der Krise entwickelt wurden. Die Teilnehmer variierten hinsichtlich ihres Forschungsstandes. Während einige erst ihr Forschungskonzept vorstellten, konnten andere bereits Forschungsergebnisse vorweisen. Insgesamt gab es fünf Panels, in denen Wissenschaftler zu verschiedenen Schwerpunktthemen referierten.

Im ersten Panel wurden die Auswirkungen der Krise auf die Parteienlandschaft analysiert. Vorsitzende des Panels war Sabine Kropp von der Universität Speyer, die zusammen mit El- len Bos von der Andrássy Universität die Idee zur Umsetzung dieser Konferenz hatte. Der erste Vortragende Michael Vit von der Masaryk Universität referierte zum Thema Bedrohungswahrnehmung der Parteien in den Visegrad Ländern vor. Im Vordergrund seiner Forschung steht die Frage, welche nationale Identität sich in Manifes- ten der Parteien seit der Krise herauslesen lässt. Er möchte dabei feststellen, ob sich in Ungarn, Polen, der Slowakei und der Tschechischen Republik ähnliche Entwicklungen feststel- len lassen. Den Inhalt der Manifeste untersucht er genauer anhand der Politikfelder zum The- ma Bedrohung, Symbolismus, Sicherheit, Pluralismus und Solidarität.


Die nächste Referentin Julia Schwanholz von der Universität Göttingen stellte ihre For- schungsergebnisse zum Thema Macht des Parlaments in Zeiten von Finanz- und Wirtschaftskrise vor. Frau Schwanholz zeigt, wie Parlamentsmacht mithilfe einer vergleichenden Fallstudien- und Prozessanalyse in drei Ländern (Deutschland, Großbritannien und Schweden) analysiert werden kann. Um einen kausalen Effekt zwischen dem zu erklärenden Ereignis (Parlamentsmacht) und den erklärenden Variablen nachzuvollziehen, wird ein prozessorien- tierter Ansatz verfolgt, der durch Bennett und George als sogenanntes Process Tracing be- kannt geworden ist. Die Datenerhebung zur chronologischen Prozessrekonstruktion erfolgter mittels 22 qualitativer Leitfadeninterviews, ergänzend wurden Parlamentsdokumente, soweit vorhanden und zugänglich, berücksichtigt. Die Auswertung der Daten erfolgte inhaltsanalytisch mit technischer Unterstützung durch Tams Analyzer.

Im Anschluss referierte Viera Knutelska von der Charles Universität Prag. In ihrem Vortag ging es darum, ob in den Mitgliedsstaaten der EU in Zeiten der Krise die gleiche politische Sprache gesprochen wird. Dazu untersucht die Referentin Reden wichtiger politische Ent-scheidungsträger. Sie stellt fest, dass die Mitgliedsstatten individuelle politische Sprachen für EU-Belange entwickeln, sich aber bisher keine gemeinsame Sprache der Mitgliedsstaaten herausgebildet hat.

Zum Abschluss des ersten Panels trug Philipp Karl von der Andrássy Universität Budapest darüber vor, ob die rechtsextreme ungarische Partei Jobbik in jüngster Zeit aufgrund der Krise erfolgreicher geworden ist. Die Partei Jobbik hat im Jahr 2010 den für rechtsradikale Parteien höchsten Stimmenanteil seit dem Systemwechsel bekommen. Herr Karl möchte der Frage nachgehen, ob die Partei Jobbik ihre Anhängerzahl aufgrund der in Ungarn herrschenden Wirtschaftskrise erhöhen konnte. Dazu untersucht er das Jobbik-Netzwerk mithilfe von virtu ellen und realen Netzwerkanalysen.

Nach einem Lunch, bei dem sich in der Mensa, die Gelegenheit ergab, die interessanten Diskussionen des ersten Panels weiterzuführen, begann das zweite Panel. Dr. Elena Semenova Post-Doc in Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Eliten-Forschung an der Universität Jena leitete es. Thema waren europäische und nationale Antwortmöglichkeiten auf die Krise. Den Anfang machte Sebastian Piecha, der an der Fernuniversität Hagen im Bereich Rechtswissenschaft promoviert. Sein Beitrag beleuchtete die Idee der Bankenunion als Reaktion auf die Krise aus juristischer Sicht. Er beschrieb detailliert, wie es zu neuen Governance-Modellen innerhalb der Europäischen Union gekommen ist, welche jedoch seiner Auffassung nach unzureichend legitimiert seien. Piecha kam zu dem Schluss, dass es kein wirkliches lega- les Fundament für die Bankenunion gäbe. Besonders betonte er die Tatsache, dass es einen starken Interessenkonflikt zwischen den schnellen Krisen-Reaktion, die die Erfordernisse des (Finanz-)Markten nötig machen und dem grundsätzlich ausgefeilten und langwierigem Gesetzgebungsverfahren der EU gibt. Er merkte an, dass die juristische Legitimation der Bankenunion „delikat“ bzw. „indirekt“ sei. Die Anschließende Diskussion fokussierte sich folglich auf die grundsätzlich rechtlichen Fragen und Interpretationen der Bankenunion.

Einen anderen Ansatz hatte Daniel Rasch von der Ruhr Universität Bochum. Sein Vortrag hatte den Einfluss verschiedener Interessengruppen auf die tatsächliche Politikgestaltung der Finanz-Regulierung in den Vereinigten Staaten und Großbritannien zum Thema. Insbesondere ging er der Frage nach, welche Zivilgesellschaft stärker die Politikgestaltung bestimmt habe. Dabei konnte er auf Daten seiner Masterarbeit zurückgreifen. Sein Ansatz wurde kontrovers diskutiert, besonders einige seiner Prämissen waren nicht jedem ersichtlich.

Kira Baranova stellte die Arbeit von ihr und ihrer Kollegin Rahel Schoemaker vor, die sich beide an der Universität Speyer mit den makroökonomischen Auswirkungen der Krise auf die Vereinigten Arabischen Emirate und Russland. Der Vergleich wurde begründet mit der Rohstofflastigkeit und- Abhängigkeit beider Volkswirtschaften, wobei jedoch kritisch angemerkt wurde, dass sich allein die Größe der Länder negativ auf die Vergleichbarkeit auswirkt.

Die Wirkmächtigkeit und Beharrlichkeit von wirtschaftlichen Deutungs- und Intepretationsschemata hatte Daniela Caterinas Beitrag zum Thema. Ausgehend von einem neogramcistischen Hegemoniebegriff lieferte die Promovendin der Universiät Hamburg interessante Ansätze mithilfe der semiotischen Konstruktionen des wirtschaftlichen Vokabulars die Arbeitsmarktreformen in Italien zu untersuchen. Nach dieser tour de force durch verschiedene Wissenschaftsbereiche und unterschiedliche geographische Regionen, gab es eine wohlverdiente Kaffee- und Kuchenpause.

Das anschließende Panel unter Leitung von Margit Seckelmann von der FÖV Speyer, hatte die lokalen Implikationen der Krise zum Thema. Janina Apostolou von der AUB eröffnete den Reigen mit einer bemerkenswerten Vorstellung ihrer Arbeit zu Bürgerhaushalten. Sie beschäftigte sich mit der Frage inwiefern diese zur Lösung der Schuldenkrise beitragen kön- nen. Dieser Frage ging sie aus ökonomischer Sicht mit einem public-choice-Ansatz nach.

Thorsten Noe und Thomas Bathge von der Fernuniversität Hagen stellten ihre Ergebnisse zu den politisch-gesellschaftlichen Mobilisierungen und Protestbewegungen, die es auf lokaler Ebene anlässlich von Haushaltskürzungen im Zuge der kommunalen Schuldenkrise gab. Da- bei bezogen sie sich auf zwei konkrete Beispiele von Kommunen aus NRW, in denen es zu Bürgerprotesten und – mobiliserungen aufgrund der Schließung von öffentlichen Bädern bzw. Theatern gekommen war.

Das Panel rundete ein statistiklastiger Vortrag von Tim Jäkel, post-doc an der FÖV Speyer, zur Performance der Lokalverwaltungen während der Krise, ab, welchen Panel-Chair Seckelmann kurz und bündig mit „So what?“ kommentierte und damit bei vielen Zuhörern Gehör fand. Die lebhaften Diskussionen der Statistiker überdauerten auch die anschließende Pause, nach welcher Detlev Clemens von der Europäischen Kommission hochinteressante und ausgewogene Einblicke in den Umgang der Brüsseler Behörde mit der Krise gab. Während eines anschließenden Dinners ergaben sich vielfältige Gelegenheiten Diskussionen fortzuführen, sich mit Kollegen über die Arbeit auszutauschen und Kontakte zu knüpfen.
Zum Abschluss des ersten Konferenztages sprach Detlev Clemens von der Europäischen Kommission als Key Note Speaker über die Maßnahmen, die in der Europäischen Union getroffen wurden, um der Krise zu begegnen.

Während zahlreiche Maßnahmen erlassen wurden, um die Folgen der Finanz-und Wirtschaftskrise abzufedern, hat es sich als schwieriger erwiesen, die politische Krise in den Griff zu bekommen.
Mit sehr viel Sachkompetenz stelle Herr Clemens die jüngsten Krisenmaßnahmen der EU vor. Da gibt es zum einen das „Europäische Semester“, innerhalb dessen die Mitgliedstaaten auf- gefordert sind nationale Reformprogramme auszuarbeiten, die von der Kommission gutgeheißen werden müssen. Im Rahmen des Europäischen Semesters findet auch eine „Peer Review“ stat. D.h., die Mitgliedstaaten kontrollieren sich gegenseitig bei der Umsetzung der Reform- pläne. So ein Verfahren wäre laut Clemens vor einigen Jahren noch nicht denkbar gewesen.

Eine weitere Maßnahme ist der sogenannte „Sixpack“. Dieser beinhaltet eine makroökonomische Überwachung der Mitgliedsstaaten durch die Kommission. Falls sich makroökonomische Ungleichgewichte einstellen, gegen die ein Mitgliedsstaat keine geeigneten Gegenmaßnahmen unternimmt, kann es zu Sanktionen kommen. Um die finanzielle Stabilität der Mitgliedsstaaten zu gewährleisten wurde der Europäische Finanzstabilisierungsmechanismus, der auch als Euro-Rettungsschirm bezeichnet wird, ein- gerichtet. Um den Euroraum stabiler zu machen, wurde die Einrichtung einer Bankenunion geplant und der Euro-Plus-Pakt geschlossen.

Herr Clemens weist darauf hin, dass es auch eine politische Krise gibt. Zum einen besteht nicht genug Vertrauen zwischen den einzelnen Institutionen der EU. Die EU-Bürger bemän- geln die unzureichende demokratische Legitimation der EU-Institutionen. Um diese Probleme zu beheben, sind institutionelle Reformen nötig, die laut Clemens noch Zeit in der Umsetzung in Anspruch nehmen werden.
Die Diskussion über die Krise in der EU wurde bei einem gemeinsamen Abendessen, zu dem die Veranstalter großzügig einluden, fortgesetzt.

Am Freitag den 19. April startete das Programm mit einem sehr diskussionsfreudigen Panel unter Leitung von Aron Buzogány von der Universität Speyer. Diskussionsfreudig daher, da diesmal nur zwei Referenten ihre Ergebnisse präsentierten und somit mehr Zeit für kritisches Nachfragen oder Anmerken gegeben war. Stefan Domonkos und Dragos Adascilitei von der Universität Mannheim stellten Ihre Ergebnisse zu Rentenreformen allgemein bzw. in Rumä- nien und Bulgarien vor.

Im letzten Panel des Doktoranden-Workshops ging es um nationale und europäische Reaktionen auf die Krise. Vorsitzende des Panels war Ellen Bos von der Andrassy Universität Budapest.

Martin Kunze von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg trug zum Thema Corporate Social Responsibility und Sozialstaat am Beispiel des Energiesektors in Deutschland und Großbritannien vor.
Herr Kunze plant die sozialpolitische Rolle von Unternehmen in Deutschland und Großbritannien mit Hilfe von Unternehmensfallstudien und einer Politikfeldanalyse zu untersuchen.

Dabei möchte er vordergründig untersuchen, inwieweit die Unternehmen im Energiesektor eine gesellschaftliche Verantwortung im Bereich der sozialen Sicherung bzw. gesellschaftlichen Inklusion übernehmen. Er nimmt an, dass Unternehmen in europäischen Wohlfahrtsstaaten in neuer Art und Weise mit sozialpolitischen Themen und Problemstellungen konfrontiert, und zunehmend in deren Bearbeitung institutionell eingebunden werden. Grund dafür sei die seit Ende der 1980er Jahre herrschende Krise europäischer Wohlfahrtsstaaten, die in sich verstetigenden Armuts- und Überschuldungsraten der Bevölkerung zum Ausdruck kommt.

Als zweiter Referent sprach Hannes Rathke von der Andrássy Universität Budapest zum Thema „die Verantwortung des Parlaments für Integration in Zeiten der Finanzkrise. In seinem Vortrag stellt Herr Rathke vor allem die Schwierigkeit vor, dass die EU-Mitgliedsstaaten zum einen immer mehr Macht an die EU-Institutionen übertragen müssen, andererseits aber auch nicht zu viel nationale Souveränität aufgeben möchte. Zwar ist die europäische Integra- tion wichtig, doch ist die Abgabe von nationaler Macht bedenklich, da die europäischen Insti- tutionen nur unzureichend demokratische legitimiert sind. Herr Rathke stellt hier die Analyse der Rolle des Deutschen Bundestages in der europäischen Entscheidungsfindung in den Vordergrund.

Als letzte Teilnehmerin hielt Nadja Braun Binder von der FÖV Speyer einen Vortrag darüber, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Kompetenzen zur Steuererhebung zwischen den EU-Mitgliedsstaaten sieht. Bindern stellt dar, dass der EuGH sich seit seinem Urteil in der Rechtssache (Rs.) avoir fiscal, in dem er zum ersten Mal aus der Niederlassungsfreiheit Auswirkungen für die Erhe- bung direkter Steuern durch die Mitgliedstaaten festgestellt hat, in über 200 Urteilen zum Bereich der direkten Steuern geäußert hat.

Frau Braun Binder analysiert die Rechtsprechung des EuGH in Zeiten der Krise zu den Grundfreiheiten im Bereich der direkten Steuern und daraus resultierende Einschränkungen der Mitgliedstaaten, über ihr nationales Steuerrecht und damit über ihre Staatsfinanzen ent- scheiden zu können.

Sabine Kropp schloss die Konferenz mit einer Zusammenfassung und Danksagung an alle Beteiligten. Außerdem wurde bekannt gegeben, welche Konferenzbeiträge die Preise in Höhe von 400 und 200 Euro bekamen.

Den Preis für den besten Beitrag erhielt Daniela Caterina, da sie in ihren Beitrag den innovativsten Ansatz verfolgt. Der Preis für das zweitbeste Paper ging an Stefan Domonkos, da sein Beitrag wichtige neue Handlungsempfehlungen für die Wirtschaftspolitik liefert

Der Workshop kann insgesamt als sehr gelungen beschreiben werden. Das lag zum einen an der exzellenten Organisation, für die an dieser Stelle unser Dank ausgesprochen werden soll. Zum anderen lag es aber auch an den qualifizierten Beiträgen, die eine Diskussion über die Krise und Lösungsansätze auf einem hohen wissenschaftlichen Niveau ermöglichten.

Text: Philipp Karl und Janina Apostolou

Die Veranstaltung wurde vom Projekt TÁMOP-4.2.2/B-10/1-2010-0015 unterstützt.

2024-2 März 2024 2024-4
 
 
 
 
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