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Bosnien und Herzegowina heute
Andrássy Universität Budapest
Vortrag von Adelheid Wölfl, Südosteuropa-Korrespondentin „Der Standard”.

Am 25.10.2017 luden das Österreichische Kulturforum Budapest (ÖKF), die Corvinus Universität (BCE) und die Andrássy Universität (AUB) zu einem Vortrag von Adelheid Wölfl, Südosteuropa-Korrespondentin „Der Standard“, zur gegenwärtigen Lage in Bosnien-Herzegowina ein. Bei der Veranstaltung waren rund 60 Zuhörer anwesend.

Zum Auftakt des Abends stellten Dr. Christina Griessler (AUB, Andrássy Forum for Western Balkan Studies) und Dr. Christopher Walsch (BCE) Frau Adelheid Wölfl vor. Sie wiesen darauf hin, dass die Referentin, die in Sarajevo lebt und arbeitet, Expertin auf dem Gebiet der Transformationsprozesse bzw. der EU-Erweiterungen und regionaler Kooperationen auf dem Balkan sei. Ferner betonten sie, dass dem Österreichischen Kulturforum für die großzügige finanzielle Unterstützung des Vortragabends besonderer Dank gelte.

Adelheid Wölfl gab in ihrem Vortrag Einblicke in eine Gesellschaft und in ein Land, das intern zerrissen sei und dessen Bewohner einen zeitnahen EU-Beitritt ihres Landes wünschen. Österreich und Ungarn gehören gegenwärtig zu den stärksten Befürwortern der EU-Integration des Landes. Im Kontext eines ethnischen Nationalismus und dessen Auswirkungen in Bosnien-Herzegowina sowie in den Nachbarländern werde das Vorhaben jedoch behindert, so Wölfl.

Des Weiteren erklärte die Referentin, dass die Religionsgruppenzugehörigkeit eine zentrale Bedeutung habe. Dabei geschehe die Zuordnung zu einer Gruppe automatisch anhand des Namens. Ferner werde die Religionszugehörigkeit mit Nationalitätszugehörigkeit gleichgesetzt, reflektierte Wölfl. So sei es Konvention, Personen kroatischer Herkunft mit dem Katholizismus, SerbInnen mit der Orthodoxen Kirche und BosniakInnen mit dem Islam zu assoziieren. Diese Einteilung sei insbesondere hinsichtlich beruflicher Perspektiven und sozialer Mobilität entscheidend, da sich die Identität auf dem Balkan vorrangig aus Erfahrungen und dem Glauben herausbilde. Kollektivrechte seien Individualrechten vorrangig, wobei ethnischer Homogenität heute noch erstrangige Bedeutung zukomme, schlussfolgerte Wölfl. Daraus ließen sich nach wie vor Territorialansprüche der verschiedenen ethnischen Religionsgruppen ableiten.

Die häufige Reduktion auf die Religionszugehörigkeit begünstige auch eine verstärkte Segregation im Schulsystem, im Rahmen derer zunehmend sprachliche Differenzen geschaffen werden. Ferner sei es in der Bevölkerung üblich, diese überwiegend konstruierten Diskrepanzen als Faktum hinzunehmen. Politische Eliten bekräftigen dies und beteiligen sich deshalb häufig nicht an Integrationsvorhaben von Andersgläubigen. Weiterhin herrsche Einvernehmen zwischen den Volksgruppen, dass die Situation auf dem Balkan vielversprechend, aber nicht stabil sei. Dieser Befund manifestiere sich auch in der Existenz des dezentralisierten Föderalstaates, schloss Wölfl.

Proporzregeln, Quoten- und Vetorechte auf Seiten der VertreterInnen der Nationen seien Nährböden für Spannungen und Konkurrenzdenken. Dies werde durch ein Pathos zur „Selbstbefreiung von Fremdherrschaft” aller Beteiligten verstärkt, die sich zumeist in Opferrollen sehen würden, so Wölfl. Der inszenierte Konflikt diene primär dem Erhalt von Macht und Dominanz auf bestimmten Gebieten der Öffentlichkeit und münde in wechselseitigen Vorteilen aller Parteien.

Abschließend wies die Referentin darauf hin, dass Bosnien-Herzegowina im Zuge der europäischen Integration bereits 90 Mrd. Euro Finanzhilfe bereitgestellt wurden. Nicht zuletzt deswegen sprach man im letzten EU-Fortschrittsbericht von einem „frühen Stadium der Modernisierung der öffentlichen Verwaltungen”, fuhr Wölfl fort. Dennoch sei gegenwärtig keine nachhaltige Aussöhnung im Gange, denn dieser wirkten territoriale Machtdemonstrationen entscheidend entgegen.

Der Vortrag wurde in lebendiger Sprache gehalten, die Referentin erzählte zahlreiche Anekdoten, um das Alltagsleben in Bosnien und Herzegowina zu illustrieren. Sie zeigte auch eigene Fotos von der Landschaft, den Städten und den Bräuchen des Landes. Im Anschluss reagierte Wölfl auf die Fragen und Anmerkungen der Zuhörer.

Autor: Bálint Lengyel

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