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Between decline and rebirth? France and the 2022 presidential elections
Am 08. April gab Dr. Ádám Bence Balázs einen Ausblick auf die anstehenden Präsidentschaftswahlen in Frankreich und skizzierte mögliche Folgen.

Prof. Dr. Zoltán Tibor Pállinger, Rektor der AUB und Leiter des Lehrstuhls für Politische Theorie und Europäische Demokratieforschung, beschrieb in einer einleitenden Rede die besonderen Umstände der Wahlen angesichts des Ukraine-Krieges aber auch der Tatsache, dass Frankreich seit Anfang des Jahres die halbjährlich wechselnde EU-Ratspräsidentschaft innehat. Mit Blick auf den ungarischen Kontext verwies er auf die Verbindung der Rechtsaußen- Kandidatin Marine Le Pen und dem kürzlich wiedergewählten Premierminister Orbán, deren Allianz im Falle eines Siegs Le Pens das Gleichgewicht im Europäischen Rat signifikant verschieben könnte.

Dr. Ádám Bence Balázs, Dozent an der AUB und Fellow Researcher am Laboratoire de Changement Social et Politique der Universität Paris, begann seinen Vortrag mit einem Überblick über die Wahlmodalitäten und deren Hintergründe. Bis 2002 wurde der Präsident für sieben Jahre gewählt, was jedoch regelmäßig zu sogenannten Kohabitationen führte, in denen die Exekutive blockiert war. Denn diese wird von einer Doppelspitze aus Präsident und Premierminister geleitet, wobei letzterer fünf Jahre im Amt bleibt. Im neuen System folgt die Parlamentswahl der Präsidentschaftswahl, wodurch bislang beide von den gleichen Parteien gewonnen wurden. Dies sorge zwar für Stabilität, so Balázs, mache die Regierung aber auch technokratischer, da im Parlament weniger debattiert wird. Auch ist eine solche Doppelspitze dieses Mal keinesfalls sicher angesichts der aktuellen Zersplitterung sowohl der Parteien als auch der Wählerschaft.

Denn in den vier Jahren unter der zentristischen Partei La République En Marche von Präsident Emmanuel Macron hat sich diese von zunächst hauptsächlich linken bis zuletzt deutlich rechten Allianzen verschoben, und vor allem seine Corona-Politik hat dem Präsidenten regelrechten Hass beschert. Gleichzeitig wurden die beiden traditionell größten Parteien, die Republikaner auf der rechten und die Sozialisten auf der linken Seite, zunehmend marginalisiert, während sich besonders im rechten Spektrum neue Kandidaten aufgestellt haben.

Neben der im aktuellen Wahlkampf vergleichsweise gemäßigten Le Pen (Rassemblement National), die bereits zum dritten Mal antritt und Macrons Fokus auf die Ukraine dazu nutzen konnte, soziale Themen zu besetzen, ist das vor allem der extrem rechte Éric Zemmour (Reconquête), der sich nicht nur gegen Immigration sondern auch für eine Rückführung bereits in Frankreich lebender Migranten einsetzt und der laut Umfragen bei knapp zehn Prozent liegt. Laut dem Experten ist Zemmours eigentliches Ziel jedoch nicht die Präsidentschaft. Vielmehr stelle er sich bereits für die Parlamentswahlen im Juni auf, für die er rechte Kräfte nach einer Niederlage der anderen rechten Parteien bei den Präsidentschaftswahlen hinter sich einen will. Im linken Spektrum hat laut Umfragen nur der links-grüne Jean-Luc Mélenchon (La France Insoumise) eine Chance auf die Stichwahl, doch seine Haltung zu Russland wird angesichts des Krieges problematisiert. Macron und Le Pen sind somit die aussichtsreichsten Kandidat:innen.

Frankreichs außenpolitische Funktion im Ukraine-Krieg, aber auch in der Sahel-Zone, ist von großer Bedeutung für die EU. Aktuell ist Macron der einzige westliche Staatschef, der noch direkt mit Vladimir Putin im Dialog steht. Doch seine fehlenden innenpolitischen Kompetenzen und sein harsches Vorgehen sowohl in der Pandemie als auch gegen Proteste der sogenannten Gelbwesten haben ihm in Frankreich den Ruf eines Elite-Politikers eingebracht und zu einer zunehmenden Politikverdrossenheit beigetragen, wie sie in vielen Demokratien zu beobachten ist und die derzeit vor allen Dingen von populistischen Parteien ausgenutzt wird. „Wenn es keine Alternativen gibt, ergeben sich in der Regel schlechtere Alternativen“, so Dr. Balázs.

Um die Gelbwesten ging es auch in der anschließenden Diskussion. Mit diesen ist laut dem Experten langfristig zu rechnen, auch wenn sie derzeit außerpolitisch agieren. Ein großes Problem sieht er in der Unfähigkeit demokratischer Parteien, sozialen Forderungen angemessen zu begegnen. So ist damit zu rechnen, dass viele Stimmen für Macrons Partei eher als strategische Stimmen gegen die Rechte zu werten sein werden und die Wahlbeteiligung erneut abnimmt. Langfristig spricht er sich für eine europäische Debatte über Europa aus, da dieser Begriff in den Hauptstädten der Mitgliedsstaaten jeweils ganz unterschiedlich verstanden wird.

Frauke Mogli SEEBASS

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