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Arbeiter der Feder: Präsentation des Buches von Maria Bianca Fanta
Lehrstuhl für Kulturwissenschaften
„ARBEITER DER FEDER‘. JournalistInnen der kommunistischen Tageszeitung ‚Österreichische Volksstimme‘ und die Zäsuren ihrer Lebensgeschichten (1945–1956)“

„Wer waren die RedakteurInnen der ‚Österreichischen Volksstimme‘?“ – diesem Leitgedanken ihrer jüngst veröffentlichten Dissertation folgte Maria Bianca Fanta auch in der Buchpräsentation am 22. September 2016 in der Österreich-Bibliothek György Sebestyén. Die vom Lehrstuhl für Kulturwissenschaften an der Andrássy Universität Budapest organisierte Veranstaltung stellte das Abschlussprogramm der dreitägigen Konferenz „Die ungarische Revolution 1956 – 60 Jahre danach“ dar, welche durch die Österreichische Akademie der Wissenschaften und das Österreichische Kulturforum gefördert wurde. Moderiert wurde der Abend von Dieter A. Binder, Leiter des Lehrstuhls für Kulturwissenschaften, Organisatorin der Veranstaltung war Ursula K. Mindler-Steiner.

Fanta, die 2015 ihr Doktorstudium am Doktoratskolleg für Mitteleuropäische Geschichte an der Andrássy Universität Budapest abgeschlossen hat, gab einen Einblick in ihre Arbeit sowie in die Herangehensweise an ein komplexes und bisher kaum betrachtetes Themenfeld. Dabei nahm sie das Publikum mit auf ihre Forschungsreise durch das Zentralorgan der KPÖ – die „Österreichische Volksstimme“ und das gesamte „Redaktionskollektiv“, wie sich die Redaktionsmitglieder selbst bezeichnet hätten, so Fanta.

Mit der Gründung der „Österreichischen Volksstimme“ 1945 sei damals eine Plattform für kommunistische JournalistInnen entstanden, die noch wenige Jahre zuvor von politischer und rassistischer Verfolgung durch das nationalsozialistische Regime bedroht gewesen wären und ins Ausland geflohen seien. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges seien diese zurückkehrt, um (erneut) als JournalistInnen tätig zu werden. Dabei seien sie eng mit der Kommunistischen Partei verbunden gewesen.

Das Fehlen eines Redaktionsarchivs oder Verzeichnisses habe ihre Arbeit erschwert, so Fanta. In mühevoller Kleinstarbeit habe sie daher eine Datenbank mit hauptberuflich tätigen JournalistInnen erstellen müssen. Weitere Informationen habe sie sowohl im Parteiarchiv der KPÖ als auch im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes wie auch in den Akten der Österreichischen Journalistengewerkschaft finden können. Darüber sei es ihr gelungen, zwei Interviews mit ehemaligen Angestellten der „Österreichischen Volksstimme“ führen zu können, die ihr weitere wichtige Informationen geliefert hätten.

Ihr Anliegen sei es dabei nicht nur gewesen, die Lebenswege bekannter VertreterInnen der kommunistischen Zeitung nachzuzeichnen: Auch bisher unbekannte oder nur wenig in den Blick genommene Personen hätten dabei eine Stimme erhalten sollen. Es sei ihr gelungen, 54 Biografien von Journalistinnen und Journalisten, sowohl qualitativ als auch quantitativ, aufzuarbeiten. Drei Lebenswege – Umwege, Auswege oder Sackgassen, wie Fanta sie bezeichnete, – wurden dem Publikum exemplarisch präsentiert und Diskontinuitäten – entstanden aus gesellschaftlichen Umbrüchen – unterstrichen: Ernst Fettner, der dank unterschiedlicher jüdischer Flüchtlingsorganisationen aus Österreich nach Großbritannien fliehen haben könne, habe nach seiner Rückkehr nach Österreich zunächst für die Zeitschrift „Volkswille“ in Klagenfurt geschrieben. Nachdem ihm aufgrund der Tätigkeit in der britischen Armee gekündigt worden sei, habe er sich bei der „Volksstimme“ in der Landeshauptstadt beworben und habe bis zur Auflösung der Zeitung 1991 in der Redaktion gearbeitet. Erich Bayer wiederum sei seit Beginn der „Österreichischen Volksstimme“ Mitglied der Redaktion gewesen. Doch bereits im Jahr 1947 habe er die KPÖ verlassen und habe als Lokalredakteur gearbeitet. Abschließend zeichnete Fanta den tragischen Lebensweg von Susanne Wantoch nach.

Zäsur des Betrachtungszeitraumes sei neben dem 20. Parteitag der KPdSU auch die Ereignisse in Ungarn im Herbst 1956 gewesen. Ein einheitliches Bild der kommunistischen JournalistInnen in Österreich gebe es Fantas Einschätzung nach nicht, da sich die Biografien sehr unterschiedlich entwickelt hätten. Eine Gemeinsamkeit, die alle Lebensläufe der betrachteten Personen verbinden würde, sei die Zerrissenheit der Lebenswege.

Im Anschluss an die Präsentation unterstrich neben Binder auch Heinz P. Wassermann (Fachhochschule Joanneum Graz), der Herausgeber der Reihe, in der die Dissertation erschien, den innovativen Charakter der Publikation Fantas und ordnete die Neuerscheinung in die bisherige Medienhistoriografie ein. Neben einer Bestandsaufarbeitung schließe Fantas Monografie eine schon seit langem bestehende Forschungslücke, erklärte Wassermann.

Dank der Spende der Autorin befindet sich die Publikation ab sofort in der Österreich-Bibliothek György Sebestyén. Sie kann außerdem käuflich im Buchhandel oder im CLIO-Verlag (http://www.clio-graz.net/) erworben werden.

Text: Silke Antje Kropf

Auf dem Foto v. l. n. r.: Dieter A. Binder, Zsófia Harsányi, Maria B. Fanta, Heinz P. Wassermann, Orsolya Nemesházi

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